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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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angefangen, im Sessel zu schlafen. Wenn sie dort aus dem Schlaf gerissen wurde, weil sie im Traum das Gesicht von Ras Ballenger gesehen hatte, war sie zumindest nicht so in ihr Bettzeug verheddert, dass sie das Gefühl hatte, nicht fliehen zu können.
    Tagsüber hielten sich die Jungen in der Nähe des Hauses auf und verließen nicht mehr den Hof. Swan blieb, so gut es ging, für sich. Willadee versuchte alle drei auf andere Gedanken zu bringen, indem sie anbot, sie könnten ihr helfen, Plätzchen zu backen, und Calla machte das verlockendste Angebot, das sie sich überhaupt vorstellen konnte: Sie fragte, ob sie ihr bei der Pflege ihrer Blumen helfen wollten. Samuel schlug vor, mit ihnen in die Stadt zu fahren und dort Eis zu essen. Calla hatte zwar Eiscreme im Laden, doch Eisessen machte viel mehr Spaß, wenn man dafür ein paar Meilen fahren musste.
    Nichts davon funktionierte. Die Kinder wussten nicht, was aus ihrem Freund geworden war, und vergruben sich in ihrem Kummer. Irgendwie hatten sie das Gefühl, wenn sie ihren Schmerz auch nur ein wenig vergaßen, wäre das so, als würden sie Blade noch einmal im Stich lassen. Und zwar für immer.
    »So kann es nicht weitergehen«, sagte Willadee eines Tages zu Swan, als sie diese Trübsal blasend in ihrem Zimmer antraf.
    Swan, die normalerweise endlose Diskussionen anfing, wenn man ihr erklärte, etwas würde nicht gehen, erwiderte kein Wort.
    »Ich weiß ja, dass du dir um Blade Sorgen machst«, sagte Willadee. »Das tun wir doch alle. Trotzdem dürfen wir uns nicht in ein Schneckenhaus verkriechen und uns vor der übrigen Welt verschließen. So kann man doch nicht leben.«
    Swan wandte sich ab.
    Willadee ging zu ihr, stellte sich neben sie, versuchte jedoch nicht, einen Arm um ihre Tochter zu legen und sie an sich zu drücken. Swan hatte sich in letzter Zeit jeder Berührung sofort entzogen, und Willadee konnte das sogar verstehen. Manchmal empfindet man einen Verlust als so schmerzlich, dass einem jeglicher Trost so vorkommt, als würde der Verlust nicht ernst genommen werden.
    »Hier ist eine Liste mit Arbeiten, die erledigt werden müssen«, sagte sie und legte einen Zettel auf die Fensterbank. In der Schürzentasche hatte sie noch je einen weiteren Zettel für die beiden Jungen. »Wenn du damit fertig bist, kannst du dich wieder hierher zurückziehen und bis zum Abendessen traurig sein, wenn es denn unbedingt sein muss.«
    Die Kinder hatten seit dem Tag, an dem Snowman aufgetaucht war, nicht mehr im Haus helfen müssen, aber in ihrer Ratlosigkeit war Willadee auf die Idee gekommen, sie wieder einzuspannen. Im Grunde wünschte sie sich, dass jeder Tag der Kindheit von Swan, Bienville und Noble ein endloser Sommer sein könnte, voller Spiele, Fantasie und Zauber. Doch dieser Sommer schien sich allmählich in einem anderen Sinne als endlos zu erweisen. Endlos insofern, als die Kinder in Gedanken immer wieder dieselbe furchtbare Szene durchspielten. Vielleicht würden sie ja an etwas anderes denken, wenn man ihnen Verantwortung übertrug.
    Also erledigten die Kinder brav ihre Aufgaben und dachten währenddessen an Blade Ballenger.
    Als Samuel Swan eines Abends ganz allein auf Callas Gartenbank antraf, sagte er ihr, wie leid es ihm tue, dass er neulich nicht besser zugehört hatte, als sie ihm die Idee mit den Kuhglocken erklärte. Hätte er die Sache ernster genommen, hätte er ihr vielleicht helfen können, die Situation besser zu verstehen, und dann hätte sie so etwas Schreckliches vielleicht nicht mit ansehen müssen.
    »Aber passiert wäre es trotzdem«, sagte Swan. »Wir hätten ein Wunder gebraucht, aber es ist nicht passiert.«
    Samuel glaubte zu wissen, worauf sie hinauswollte, deshalb fragte er sie, ob sie damit meine, dass Gott schuld an Blades Unglück sei.
    Swan dachte lange nach. Offensichtlich hatte sie mit der Beantwortung der Frage schon länger gerungen.
    »Nein, Sir«, sagte sie schließlich. »Ich war diejenige, die die Fastenzeit verkürzt hat, denn sonst wär’ uns der Bananenpudding durch die Lappen gegangen.«
    Am Freitagmorgen tauchte ein weiteres Pferd vor Callas Haus auf. Diesmal wurde es von Mr Odell Pritchett in einem Anhänger gebracht und von Toy Moses in bar bezahlt. Odell hatte Toy angerufen und gesagt, er wolle sich dafür erkenntlich zeigen, dass er sich um Snowman gekümmert hatte, und Toy hatte gesagt, das sei nicht nötig, aber er wäre dankbar, wenn Odell ihm dabei helfen könnte, ein gutes Pferd für die Kinder zu finden.

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