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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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wie peinlich es ihm war, das zuzugeben. Schließlich war er der Älteste und hätte die anderen zur Vernunft mahnen müssen.
    Beim Wort »Kuhglocken« neigte Samuel den Kopf zur Seite und sah zutiefst betrübt aus.
    »Wie die Priester es mit den Posaunen bei der Schlacht von Jericho getan haben«, fuhr Noble fort. »Wir hatten Lumpen um die Klöppel gewickelt, damit sie keinen Krach machen konnten, bevor wir mit dem Plan beginnen wollten.«
    Bei dem Wort »Lumpen« neigten Willadee und Calla ebenfalls die Köpfe. Die einzelnen Puzzlesteine fügten sich allmählich zu einem Bild zusammen, das ziemlich schön hätte aussehen können – wäre das Ganze nicht so übel ausgegangen.
    »Und dann, als Blade am dringendsten Hilfe brauchte, bin ich einfach ohnmächtig geworden«, sagte Swan bekümmert. »Hätten wir uns an den Plan gehalten, hätten wir ihn retten können.«
    »Ihr hättet ihn nicht retten können, Schätzchen«, sagte Willadee. »Am Ende wärt ihr vielleicht noch alle umgebracht worden.«
    »Es gibt so viel Böses und Schlechtigkeit auf der Welt«, erklärte Oma Calla und sah die Kinder eindringlich an. »Und das sollt ihr auch ruhig wissen. Es gibt Menschen, die durch und durch böse sind, und nichts von dem, was sie tun, ist eure Schuld.«
    »Aber irgendwer muss ihn doch stoppen«, sagte Noble.
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. Die Kinder warteten darauf, dass einer der Erwachsenen versprach, Ras Ballenger zu stoppen, doch die Erwachsenen wussten, dass sie ein solches Versprechen nicht geben konnten.
    Leise stand Samuel auf und ging hinaus. Die anderen konnten hören, wie er mit lauter Stimme Gott anrief.
    Toy Moses wandte sich hingegen nicht an Gott, da er wenig Erfahrung mit ihm hatte und noch nie davon überzeugt gewesen war, dass es etwas nutzte, ihn anzurufen. Stattdessen griff er zum Telefon und wählte die Nummer der Polizei.
    Am späten Abend schauten zwei Deputys im »Never Closes« vorbei und informierten Toy über ihre Ermittlungen. Der kleine Ballenger habe tatsächlich an diesem Nachmittag ein Auge verloren, doch der Vater behauptete, der Junge wäre beim Feuerholzsammeln auf eine Astspitze gefallen, und die Mutter hatte die Geschichte bestätigt.
    »Die Mutter war überhaupt nicht dabei«, erklärte Toy.
    »Waren Sie denn dabei?«, fragte einer der Deputys, ein gewisser Bobby Spikes, der noch neu in der Gegend war – er lebte erst seit acht oder neun Jahren im County. Außerdem war er einer der wenigen Polizeibeamten, die noch nie ein Glas im »Never Closes« getrunken hatten.
    »Wenn meine Kinder sagen, dass sie nicht dabei war«, erwiderte Toy, »dann war sie nicht dabei.«
    » Ihre Kinder?«
    Der andere Deputy, ein Mann namens Dutch Hollensworth, kannte Toy Moses seit ewigen Zeiten, und es passte ihm gar nicht, wie Spikes mit einem Mann redete, den er sehr respektierte und von dem er schon viele Drinks spendiert bekommen hatte.
    »Seine Neffen und seine Nichte«, belehrte Dutch Spikes. »Alle sind echte Moses.«
    »Okay«, stellte Spikes ziemlich trocken fest. »Und ein Moses lügt nicht.«
    Also kannte er zumindest den Ruf der Moses in der Gegend, auch wenn er offenbar nicht allzu viel davon hielt.
    »Der kleine Ballenger wollte jedenfalls kein Wort sagen«, fuhr Spikes fort. »Es war nichts aus ihm rauszukriegen. Im Übrigen haben seine Eltern ihn behandeln lassen, wie sich das für fürsorgliche Eltern gehört, und der Arzt hat den Unfall bescheinigt. In so einem Fall ist das Gesetz machtlos.«
    »Nicht im Columbia County, ist das klar?«, sagte Toy Moses. Er hatte eigentlich nicht so unfreundlich sein wollen, aber Spikes ging ihm gehörig auf die Nerven.
    Der sah ihn an und fuhr sich mit der Zunge kurz über einen Mundwinkel.
    »Es kann schon mal vorkommen, dass ein Verbrechen nicht bestraft wird.«
    So deutlich hatte noch nie jemand Toy Moses ins Gesicht gesagt, dass er einen Mord begangen hatte, für den er nicht bestraft worden war. Doch es war nicht der Satz, über den Toy nachdachte, nachdem die Deputys gegangen waren. Stattdessen beschäftigte ihn in den nächsten Tagen immer wieder die Frage, wie er dazu gekommen war, »meine Kinder« zu sagen.
    Zwei Wochen vergingen.
    Die Kinder hatten Alpträume. Einmal wachte Noble mitten in der Nacht auf und stellte fest, dass Bienville zu ihm ins Bett gekrochen war und wie Espenlaub zitterte.
    »Du auch?«, fragte Noble.
    »Du meinst, ich bin nicht der Einzige?«
    »Ganz und gar nicht«, versicherte ihm Noble.
    Swan hatte damit

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