Die Geschichte von Liebe und Sex
verwerflichen Vorgang wie Sex empfangen haben konnte. Sie musste – es konnte und durfte nicht anders sein – das Baby als Jungfrau bekommen haben. Im katholischen Christentum wird die Jungfrau Maria sogar zur Mutter Gottes erhöht.
Alle normal sterblichen Frauen wurden dagegen so rechtlos wie möglich gehalten, in der Kirche selbst hatten sie schon gar nicht mitzureden. Im Gegenteil, während man auf der einen Seite die keusche Jungfrau Maria verehrte, brachte man Frauen aus Fleisch und Blut großes Misstrauen entgegen. Frauen, die sich nicht in die vorgegebenen Rollen fügen wollten, wurden mit Hass verfolgt, man beschuldigte sie der Hexerei und machte sie für Hungersnöte, Seuchen oder Naturkatastrophen verantwortlich.
Im Mittelalter wurde die Hexenverfolgung ausdrücklich christlich begründet, indem man Frauen (aber auch Männern, die als Ketzer angezeigt wurden) Sex mit dem Teufel unterstellte. In den 100 Jahren zwischen 1550 und 1650 kam es in Mitteleuropa zu einer wahren Hysterie: Allein in Deutschland wurden rund 25 000 Frauen als Hexen gefoltert und meist auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Zur letzten öffentlich bekannt gewordenen Hinrichtung kam es 1782, vor nur etwas mehr als 200 Jahren, in der Schweiz.
Das Schweizer Kindermädchen Anna Göldin (1734 – 1782) wurde als letzte Hexe in Europa angeklagt und ermordet *
Anna Göldin wird 1734 in armen Verhältnissen geboren. Mit 14 Jahren tritt sie ihre erste Stelle als Kindermädchen an, später arbeitet sie auch als Bauernmagd. Sie gilt als hübsch und klug. Sie bleibt ledig, aber ist befreundet mit dem verheirateten Schmied Ruedi Steinmüller. Gemeinsam interessieren sie sich für Heilkräuter und die Natur.
|93| Ab September 1780 tritt sie eine Stelle bei der Familie Tschudi an – der Vater ist Arzt, die Mutter Hausfrau. Es gibt fünf Kinder, um die sich Anna Göldin zu kümmern hat. Anfangs geht alles gut, die Kinder mögen sie, da sie viel mit ihnen unternimmt. Nur mit der achtjährigen Tochter Anna Marie gibt es öfter Probleme. Sie heult schnell und läuft dann zur Mutter, um sich über das neue Kindermädchen zu beklagen. Frau Tschudi beschuldigt Anna Göldin, das Mädchen geschlagen zu haben. Die anderen Kinder widersprechen. Ein paar Tage später wird eine Stecknadel im Milchbecher der kleinen Anna Marie gefunden. Als sich dies mehrfach wiederholt, wird Anna Göldin im Oktober 1781 fristlos entlassen.
Sie geht zuerst zu ihrem Freund Ruedi Steinmüller, der sie bestärkt, gegen die ungerechte Entlassung zu klagen. Sie versucht es, aber ohne Erfolg. Vier Tage später verlässt sie den Ort. Kurz darauf erkrankt die kleine Anna Marie ernsthaft. Sie bekommt Fieber, ein Bein wird gelähmt und Frau Tschudi behauptet, dass sie regelmäßig Stecknadeln erbrechen muss. Inzwischen ist das Gerücht aufgekommen, dass Anna Göldin das kleine Mädchen verhext habe. Eine Jagd nach ihr beginnt und zwei Monate später wird sie tatsächlich gefunden und im Kanton Glarus eingesperrt.
Dabei stellt sich heraus, dass sie die Familie schwanger verließ und inzwischen ein Kind geboren hat, das jedoch bei der Geburt starb. Es geht das Gerücht, dass Dr. Tschudi der Vater des Kindes sei. Und dass Frau Tschudi auf sie eifersüchtig war und deshalb wollte, dass sie verschwindet. Das Ehepaar Tschudi bestreitet das. Im März 1782 bietet Anna Göldin an, dem Mädchen helfen zu wollen. Tatsächlich gelingt es ihr mit Massagen, den Zustand des Kindes zu verbessern. Anstatt ihr dankbar zu sein, heißt es, damit sei zusätzlich bewiesen, dass sie eine Hexe sei, da sie gewusst habe, wie der Fluch wieder zu entfernen war.
Ab April 1782 beginnen schreckliche Folterungen, bei denen das Kantonsgericht herausbekommen will, wie Anna Göldin Kontakt zum Teufel bekommen hat, wo sie sich trafen und welchen Sex sie hatten. So wird sie nackt ausgezogen und an einer Leiter aufgehängt. Dabei wird sie mehrfach ausgepeitscht. Um die Schmerzen zu erhöhen, werden sogenannte Foltersteine an ihren Füßen befestigt. Später wird sie auch mit einer glühenden Zange gequält. Die Folterungen gehen vom 4. April bis zum 8. Mai. Ihre Schmerzensschreie bereiten einigen Folterern Albträume, wie der Gerichtsschreiber vermerkt haben soll. Außerdem wird notiert, dass sie »volle kräftige Brüste« und »krauses Haar« habe, was angeblich auf besondere sexuelle Lust schließen lasse.
|94| Nachdem sie ein »volles Geständnis« abgelegt hat, wird die Folter eingestellt. Am 12. Mai erfährt sie,
Weitere Kostenlose Bücher