Die Geschichte von Liebe und Sex
aufzuhalten. In Deutschland war eine der Vorreiterinnen eine junge Frau, die nach Kriegsende verwitwet war und allein mit einem kleinen Kind dastand.
|172| Beate Uhse (1919 – 2001) gründet 1951 den ersten »erotischen Zubehörhandel « in Westdeutschland
Als 18-jähriges Mädchen macht Beate Köstlin, von ihren Eltern ermutigt, 1937 ihren Pilotenschein. Sie verliebt sich in ihren Fluglehrer Hans-Jürgen Uhse. Die beiden heiraten im September 1939, kurz bevor ihr Mann als Soldat in den Krieg ziehen muss. Sie sehen sich nur, wenn er »Heimaturlaub« bekommt. 1943 wird der Sohn Klaus geboren. Im Jahr darauf verunglückt Hans-Jürgen Uhse tödlich. Beate, 26 Jahre, bleibt mit dem einjährigen Kind allein. Bis Kriegsende fliegt sie technische Einsätze für die Luftwaffe. Nach dem Krieg lebt sie im norddeutschen Flensburg und ist zunächst wie viele arbeitslos.
Angesichts der Notlage vieler Frauen und junger Ehepaare schreibt sie 1946 eine kleine Broschüre über Verhütungsmethoden, die sie drucken lässt und für 50 Pfennig von Haus zu Haus verkauft – am Ende über 32 000 Exemplare. Aus dem Erlös gründet sie 1951 das »Versandhaus Beate Uhse«, wo neben Informationsheften auch Kondome und anderes »erotische Zubehör« angeboten werden. Sie beginnt mit vier Angestellten, aber schon zwei Jahre später kann sie 18 Mitarbeiter beschäftigen. 1962 eröffnet sie in Flensburg das erste »Fachgeschäft für Ehehygiene«. Im Rahmen der sexuellen Liberalisierung erlebt auch ihr Geschäft einen weiteren Boom.
Heute gibt es mehr als 300 »Beate Uhse Sex Shops«, außer in Deutschland noch in zwölf weiteren Ländern. 1996 – mit 77 Jahren – gründet sie in Berlin das Beate-Uhse-Erotikmuseum und geht 1999 mit der Beate Uhse AG erfolgreich an die Börse. Obwohl sie von 1962 bis 1992 über 2 000 Anzeigen wegen »unzüchtigen Handels« abwehren muss, erhält sie 1989 das Bundesverdienstkreuz und wird 1999 zur Ehrenbürgerin Flensburgs ernannt. Sie stirbt 2001 mit 81 Jahren in der Schweiz.
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Amendt, Günter: Sexfront , Frankfurt 1970, S. 45.
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|173| Anders als die anderen
Das erste Mal als Coming-out
1970 bis heute
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Es gibt uns: Minderheiten machen den Mund auf!
Wer gehört zu einer Minderheit – wer zu einer Mehrheit? Auf den ersten Blick scheint es einfach zu sein: Viele gehören zu einer Mehrheit, wenige zur Minderheit. Auf den zweiten Blick ist es komplizierter: Jeder von uns gehört mit manchen Anteilen der eigenen Persönlichkeit zu einer Mehrheit, mit anderen zu einer Minderheit.
Ich kann Spanierin sein, katholisch und verheiratet … alles Mehrheiten in Spanien. Ich kann gleichzeitig eine Beziehung zu einer lesbischen Freundin haben, nach einem Autounfall schwer gehbehindert sein und vor kurzem im Lotto eine halbe Million Euro gewonnen haben – alles Minderheiten, nicht nur in Spanien. So ist das bei uns Menschen: Die ganze Wirklichkeit ist nur durch genaues Hinsehen, Hinhören und Hinfühlen zu erhalten. Alles andere mag schneller und leichter gehen. In vielen Fällen bestätigen wir dadurch jedoch nur Vorurteile und gehen nicht selten ungewollt Stereotypen auf den Leim. Nur eine Mehrheit ist sicher: Wir sind alle Menschen.
Das Bewusstsein zur Mehrheit zu gehören, hat etwas Verführerisches: So zu sein wie die meisten beruhigt. Es gaukelt vor, der Norm zu entsprechen, eben normal zu sein. Diese Norm kann aber zu bestimmten Zeiten auch verbrecherisch sein (wie der früher mehrheitlich akzeptierte Rassismus in Nazideutschland oder die ehemals von einer weißen Minderheitsregierung mit Gewalt durchgesetzte Apartheid gegenüber der schwarzen Mehrheit in Südafrika). Normen können auch gefährlich oder schädlich |175| sein (wie das Gewohnheitsrauchen früherer Generationen in Westeuropa und Nordamerika) oder auch nur stinklangweilig, weil alle angepasst sind und kaum jemand etwas Neues wagt.
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|175| Gleichzeitig will kaum jemand anormal sein, ein Außenseiter, vielleicht gar ein Ausgestoßener. Erst allmählich begreifen mehr und mehr Menschen, dass es für die Qualität einer Mehrheit spricht, die eigenen Minderheiten anzuerkennen, oder ihnen sogar besondere Achtung zukommen zu lassen, da sie oft jahrhundertelang verachtet wurden. Das bedeutet nicht, alles gut finden zu sollen. Es bedeutet, die Vielfalt von Menschen als Wert zu verstehen. Als wichtigste Orientierung dabei gelten Menschenrechte, die unteilbar sind und für Minderheiten genauso gelten
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