Die Geschichte von Liebe und Sex
kommenden Jahren arbeitet sie zunehmend anerkannt als politisch-philosophische Schriftstellerin.
Mit 39 Jahren reist sie 1947 das erste Mal in die USA, wo sie sich in den Schriftsteller Nelson Algren (1909 – 81) verliebt. 1949 schließlich erscheint ihr großes Werk Das andere Geschlecht , in dem sie die Unterdrückung der Frauen durch die Jahrhunderte analysiert. Sie weist darin unter anderem nach, dass die Idee, Frauen seien so anders als Männer, eine von Männern konstruierte ist, um Frauen abhängig zu halten. Immer wieder betont sie die Gleichheit von Frau und Mann, die zuerst Menschen seien und sich auch nur als solche verstehen können.
Obwohl beide in ihrem langen Leben immer wieder in aller Öffentlichkeit verschiedene Geliebte haben, bleiben sie sich tatsächlich auf ihre Weise «treu bis in den Tod«: Als Jean-Paul in hohem Alter schwer erkrankt, ist es Simone, die ihn die letzten Monate bis zu seinem Tod 1980 im Alter von 74 Jahren pflegt. Im gleichen Jahr adoptiert sie ihre jüngere Freundin Sylvie le Bon (* 1942). Simone de Beauvoir stirbt 1986 und wird neben Jean-Paul Sartre auf dem Pariser Friedhof Montparnasse beerdigt.
Alice Schwarzer über Simone de Beauvoir: »Eine Frau, die sich entschließt, nicht länger hinzunehmen, sondern zu nehmen …«
Alice Schwarzer wird 1942 in Wuppertal von einer unverheirateten Mutter geboren und überwiegend von den Großeltern, die einen kleinen Tabakladen betreiben, aufgezogen. Nach dem Abschluss der Volksschule besucht sie eine Handelsschule und macht eine Lehre. Mit 18 Jahren wird sie Sekretärin in Düsseldorf. Über Umwege bricht sie mit 21 Jahren nach Paris auf, wo sie sich mit verschiedenen Jobs, darunter auch Putzen, ein Sprachstudium an der Universität finanziert. 1966 – sie ist jetzt 24 – kehrt sie nach Westdeutschland zurück und absolviert ein Zeitungsvolontariat in Düsseldorf. Ihre ersten Arbeiten beschäftigen sich mit der sozialen Situation lediger Mütter und Prostituierter. 1969 arbeitet sie als Reporterin für die linke Zeitschrift Pardon in Frankfurt.
|167| Ab 1970 geht sie erneut nach Paris, ohne feste Anstellung. Sie hofft darauf, sich als freie Journalistin durchschlagen zu können. Sie arbeitet in der französischen Frauenbewegung Mouvement de liberation des femmes mit und lernt Simone de Beauvoir kennen, die sie später als »Wegbereiterin« bezeichnen wird. Angeregt durch eine Initiative französischer Frauen startet sie 1971 in der Wochenzeitschrift Stern die Aktion »Ich habe abgetrieben!«, bei der sich 374 überwiegend prominente Frauen des Verstoßes gegen den Abtreibungsparagraphen 218 bezichtigen, was am Ende zur Reform des Paragraphen führt. Ab 1972 interviewt sie immer wieder ausführlich Simone de Beauvoir. *
Alice Schwarzer pendelt eine Weile zwischen Frankreich und Westdeutschland, bevor sie 1975 in eine Frauen-Wohngemeinschaft nach Berlin umzieht. Im gleichen Jahr erscheint ihr Buch Der kleine Unterschied und die großen Folgen , in dem sie die Behauptung der Andersartigkeit der Geschlechter aufgrund der biologischen Unterschiede in Frage stellt. Gleichzeitig hat sie einen ersten Auftritt in einer TV-Talkshow. In der Folge wird sie von weiten Teilen der (überwiegend männlichen) Öffentlichkeit als »Schwanz-ab-Schwarzer« attackiert.
An diese Zeit erinnert sie sich heute so ** : »Die Absicht war eindeutig. Die Brandmarkung meiner Person sollte ein Exempel statuieren, mich isolieren und zur Unberührbaren machen: Mit so einer bist du doch nicht etwa einer Meinung?! Zugegeben, es war nicht immer leicht. Doch mein schlechter Ruf hatte auch Vorteile: Persönlich konnte ich nur noch angenehm überraschen. Meine Veranstaltungen nach Erscheinen des Kleinen Unterschieds wurden zu regelrechten Volksversammlungen, aus denen Frauen wie Männer nachdenklicher nach Hause gingen, als sie gekommen waren. Und nicht selten war das sehr konkrete Resultat die Gründung einer örtlichen Frauengruppe: Zu der rief ich am Ende jeder Diskussion auf und setzte mich noch am selben Abend mit den Interessentinnen zusammen, damit es weiterging …
Diese Lesungen … haben mich in vielem bestätigt. Wie an dem Abend im Bürgersaal von Büdingen, wo in der Diskussion eine etwa 40-jährige Frau, weiße Bluse, Löckchen, vor etwa 600 Menschen – vermutlich zum ersten Mal in ihrem Leben öffentlich – das Wort ergriff und in die zunehmende Stille hinein sagte: ›Ich bin seit 20 Jahren Hausfrau und habe drei Kinder großgezogen. Mein Mann
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