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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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würde ich sagen.«
    »Die sind intelligenter als normale Schweine, auch ohne Meditationshilfe«, sagt Rebecca. »So viel stimmt auf jeden Fall. Übrigens, Jimmy ist heute zum Frühstück gekommen. Keine Rekonvaleszentenmenüs mehr für ihn. Ihm geht’s besser, aber er möchte, dass du nochmal einen Blick auf seinen Fuß wirfst.«
    Jimmy hat jetzt seine eigene Nische. Sie ist neu, sie befindet sich im Anbau, den sie endlich fertiggestellt haben. Die Lehmwände riechen noch etwas feucht, etwas erdig; aber das Fenster ist größer als im älteren Teil des Gebäudes, mit Fliegengitter und einem Vorhang mit leuchtend buntem Comicfisch-Muster, mit großen Lippenstiftmündern und langbewimperten Augen bei den weiblichen Fischen. Die Männchen spielen Gitarre, ein Oktopus sitzt an den Bongos. Für Toby in ihrem gegenwärtigen Zustand ist es nicht der optimale Anblick.
    »Wo kommt der denn her?«, fragt sie Jimmy, der auf der Bettkante sitzt, die Füße am Boden. Seine Beine sind dünn, die Muskeln verkümmert; er wird sie wieder aufbauen müssen. »Dieser Vorhang.«
    »Wer weiß?«, sagt Jimmy. »Ren, Wakulla – ich meine Lotis Blue. Sie hatten das Gefühl, ich bräuchte ne fröhliche Innendeko. Ich komm mir hier vor wie in der Vorschule.« Er hat immer noch sein Kinderbettzeug.
    »Ich soll mir nochmal deinen Fuß angucken?«, fragt sie.
    »Ja. Der juckt. Macht mich wahnsinnig. Ich hoffe nur, dass da keine von diesen Madenviechern aus Versehen dringeblieben sind.«
    »In dem Fall hätten sie sich inzwischen rausgegraben«, sagt Toby.
    »Tausend Dank«, sagt Jimmy. Die Narbe an seinem Fuß ist rot, aber verheilt. Toby untersucht sie: keine Wärme, keine Entzündung.
    »Das ist normal«, sagt sie. »Das Jucken. Ich hol dir was, das kannst du drauftun.« Einen Wickel: Springkraut, Schachtelhalm, Rotklee, denkt sie. Schachtelhalm wird noch am einfachsten zu finden sein.
    »Ich hab gehört, du hast ein Organschwein gesehen«, sagt Jimmy. »Und es soll was zu dir gesagt haben.«
    »Von wem weißt du das?«, fragt Toby.
    »Von den Crakern, von wem sonst?«, sagt Jimmy. »Die sind mein Radio. Dieser kleine Blackbeard hat ihnen anscheinend die ganze Geschichte gesteckt. Sie finden, du hättest den Eber damals nicht töten dürfen, aber sie sehen’s dir nach, weil du ja vielleicht die Erlaubnis von Oryx hattest. Dir ist schon klar, dass diese Schweine menschliches präfrontales Kortexgewebe im Gehirn haben? Stimmt wirklich. Ich muss es wissen, ich bin mit denen aufgewachsen.«
    »Und woher wissen die Craker das?«, fragt Toby vorsichtig nach. »Dass ich den Eber erschossen habe?«
    »Die Schweinedame hat’s Blackbeard erzählt. Jetzt guck mich nicht so an, ich geb das nur weiter. Und Ren sagt, ich hätte ne ganze Weile halluziniert, also, was soll’s. Vielleicht bin ich nicht gerade der Realitätsspezialist.« Er schenkt ihr ein schiefes Grinsen.
    »Darf ich mich setzen?«, fragte sie.
    »Mach einfach, wie alle anderen auch«, sagt Jimmy. »Die verfluchten Craker gehen ja auch ein und aus, wie sie gerade Bock haben. Ständig wollen sie was wissen wegen Crake. Die halten mich für seinen verdammten Guru. Die denken, ich würde mich durch meine Armbanduhr mit ihm unterhalten. Klar, ich bin selber schuld, ich hab ja damit angefangen.«
    »Und was erzählst du ihnen?«, fragt Toby. »Über Crake?«
    »Ich sag ihnen, sie sollen dich fragen«, sagt Jimmy.
    »Mich?«, sagt Toby.
    »Du bist jetzt die Expertin. Ich muss mich hinlegen.«
    »Nein, jetzt mal ehrlich, sie sagen immer, dass du … sie sagen, du kanntest Crake. Als er auf Erden wandelte.«
    »Als wär das der Hauptgewinn.« Jimmy stößt ein bitteres kleines Lachen aus.
    »Es verleiht dir eine gewisse Autorität«, sagt Toby. »In ihren Augen.«
    »In den Augen von einem Haufen … Scheiße, ich bin so neben der Spur, mir fällt nicht mal irgendein beknackter Vergleich ein. Muscheln. Austern, Dodos. Ich will nur sagen … Ich bin müde. Meine Gurusäfte sind verbraucht. Ehrlich gesagt, die haben mir schon vor langem meine letzten Kräfte geraubt. Ich will überhaupt nicht mehr an Crake denken, nie wieder, oder mir ihren hirnrissigen Scheiß anhören müssen, wie lieb und gütig und allmächtig er ist und wie er sie in dem Ei geschaffen hat, bevor er dann mal eben dazu überging, die gesamte Menschheit auszulöschen, nur ihretwegen. Und wie Oryx für die Tiere zuständig ist und als Eule durch die Gegend fliegt, und auch wenn man sie nicht sehen kann, ist sie trotzdem da

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