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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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urbaner Gewaltminimierung.« Erste Regel: Verhindere ein Blutbad, indem du erstmal deine eigene Haut rettest.
    Sie hatte Blanco eine Mischung aus Tollkirsche und Schlafmohn verpasst: ein schmerzfreier Abschied, und dazu ein besserer, als er verdient hatte. Dann hatte sie ihn als Geschenk an die wilden Tiere in den mit weißen Steinen umrandeten Ziergarten geschleppt. War die Dosis Tollkirsche so stark gewesen, dass sie einen Aasfresser damit hätte mitvergiften können? Hoffentlich nicht: Sie wünscht den Geiern nur Gutes.
    Das schwere schmiedeeiserne Tor steht sperrangelweit offen. Toby hatte es zugebunden, als sie gingen, aber das Seil ist durchgenagt worden. Die beiden Organschweine trotten als Erste hindurch, schnüffeln auf dem Parkweg zum Pförtnerhaus herum und bahnen sich einen Weg in das Häuschen hinein. Sie tauchen wieder auf und traben hinüber zu Blackbeard. Gedämpftes Grunzen, konzentrierte Blicke.
    »Sie sagen, die drei Männer waren hier. Aber jetzt sind sie nicht hier«, sagt er.
    »Sind sie sicher?«, fragt Toby. »Es lag mal ein Mann da drin. Ein böser Mann. Den meinen sie aber nicht, oder?«
    »O nein«, sagt Blackbeard. »Von dem wissen sie. Er war tot, er lag in den Blumen. Erst wollten sie ihn essen, aber er hatte böse Pilze im Körper. Also ließen sie es sein.«
    Toby wirft einen Blick über das einst kunstvoll angelegte Blumenbeet. WILLKOMMEN IM ANUYU stand hier in Petunien geschrieben, aber inzwischen herrscht ein Wildwuchs an Wiesenkräutern. Was ragt da aus dem Gestrüpp, ist das ein Stiefel? Sie hat keinerlei Bedürfnis, der Sache näher auf den Grund zu gehen.
    Dort hatte sie Blancos Messer liegenlassen, zusammen mit der Leiche. Es war ein gutes, scharfes Messer. Doch die MaddAddamiten haben genug andere Messer. Sie kann nur hoffen, dass die Painballer sich das Messer nicht zurückgeholt haben, aber auch sie haben bestimmt andere Messer.
    Jetzt sind sie auf dem AnuYu-Gelände. Sie halten sich an den Hauptweg, wobei es auch einen Pfad gibt, der durch den Wald führt. Diesen Pfad hatten Toby und Ren damals genommen, um im Schatten zu bleiben. Dort waren sie auf Oates gestoßen. Er hing von einem Baum, nachdem die Painballer ihn abgeschlachtet und seine Nieren herausgetrennt hatten.
    Er ist bestimmt noch da, denkt Toby. Sie sollten ihn finden, ihn da runterholen, ihn anständig begraben. Seine Brüder Shackleton und Crozier werden das begrüßen. Eine echte Kompostierung mit einem eigenen Baum auf seinem Grab. Ihn zurückführen an den kühlen Frieden der kleinen Wurzeln, an die ruhige Auflösung von Boden. Aber jetzt ist nicht der richtige Moment dafür.
    Irgendwo im Wald bellen Hunde: Sie bleiben stehen und horchen. »Wenn diese Viecher schwanzwedelnd auf euch zukommen, müsst ihr sie erschießen«, sagt Jimmy. »Hunölfe sind bestialisch.«
    »Die Munition ist rationiert«, sagt Nashorn. »Bis wir Nachschub finden.«
    »Sie werden uns jetzt nicht angreifen«, sagt Katuro. »Wir sind zu viele. Plus zwei Organschweine.«
    »Wir haben bestimmt inzwischen die meisten getötet«, sagt Shackleton.
    Sie kommen an einem ausgebrannten Jeep vorbei, dann an einem verkohlten Solarauto. Dann an einem zerbeulten rosa Minitransporter mit dem AnuYu-Logo auf der Seitentür: ein Kussmund, ein zwinkerndes Auge.
    »Nicht reingucken«, sagt Zeb, der schon einen Blick ins Innere geworfen hat. »Ist nicht schön.«
    Und dann kommt das retro-rosafarbene Hauptgebäude in Sicht, es steht noch: Niemand hat es in Brand gesteckt.
    Fast geschlossen wuselt die Schweineherde draußen herum, wahrscheinlich fressen sie gerade die Reste des Biogemüsegartens, einstige Zutatenquelle für die Mahlzeiten der Kundinnen. Toby muss daran denken, welch lange Stunden sie in der Zeit nach der Flut einsam in diesem Gemüsegarten verbrachte, in der Hoffnung, genug genießbares Gemüse züchten zu können, um nicht zu verhungern. Inzwischen besteht der Garten nur noch aus aufgewühlter Erde.
    Zumindest hatte sie damals die Tür nicht verriegelt.
    Schatten, Schimmel. Ihr altes Ich streift körperlos durch die spiegellosen Flure. Sie hatte die Spiegel mit Handtüchern verhängt, um sich nicht sehen zu müssen.
    »Kommt rein«, sagt sie zu den anderen. »Fühlt euch wie zu Hause.«

Die Festung AnuYu
    Die Craker sind hingerissen vom AnuYu-Spa. Vorsichtig streifen sie durch die Flure, beugen sich vor und streichen über den blankpolierten Boden. Sie schauen unter die rosa Handtücher vor den Spiegeln, sehen die Leute, schauen hinter

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