Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
tote Fliegen. Sie betätigt die Spülung: Die Sammelbecken auf dem Dach scheinen noch zu funktionieren, welch ein Segen. Und es gibt einen schier endlosen Vorrat an rosa Toilettenpapier mit geprägtem Blumenmuster.
Einige der AnuYu-Toilettenpapierversuche mit Botanikessenz waren damals schiefgegangen, sie hatten unerwarteterweise Allergien ausgelöst.
Aber sie muss unbedingt einen Warnzettel anbringen, dass das Wasser abgekocht werden muss. Sobald die Leute sehen, dass das Wasser hier noch aus dem Wasserhahn kommt, könnten sie unvorsichtig werden.
Nachdem sie sich das Gesicht gewaschen und sich in einen frischen rosa AnuYu-Umhang aus dem Haushaltsschrank gehüllt hat, gesellt sie sich wieder zu den anderen. In der großen Halle wird gerade debattiert: Was soll über Nacht mit den Mo’Hairschafen passieren? Der weitläufige AnuYu-Rasen wächst inzwischen hüfthoch, tagsüber wird man sie problemlos grasen lassen können, doch sobald es dunkel wird, müssen sie untergestellt oder bewacht werden: Es könnten Löwämmer durch die Gegend streifen. Crozier ist dafür, die Herde in den Fitnessraum zu bringen: Die Mo’Hairschafe sind ihm ziemlich ans Herz gewachsen und er hat Angst um sie. Manatee weist darauf hin, dass der Boden glatt ist und die Schafe ausrutschen und sich die Knochen brechen können, mal abgesehen von den Hinterlassenschaften. Toby schlägt den Gemüsegarten vor: Er hat einen weitgehend intakten Zaun – die Organschweine haben dort zwar einige Löcher gegraben, aber die ließen sich schnell wieder zuschütten. Dann könnte ein Wachtposten vom Dach aus ein Auge auf sie haben und bei ungewöhnlichem Blöken sofort Meldung machen.
Aber wo sollen die Craker übernachten? Sie schlafen nicht gern in geschlossenen Gebäuden. Sie wollen auf der Wiese übernachten, wo es jede Menge Blätter zu essen gibt. Doch in Anbetracht der Painballer, die frei herumlaufen und womöglich auch noch in Jagdstimmung sind, kommt das nicht in Frage.
»Auf dem Dach«, sagt Toby. »Da oben stehen ein paar Topfpflanzen, falls sie was zum Knabbern brauchen.« Das wäre also beschlossene Sache.
Das Nachmittagsgewitter kommt und geht. Als es vorbeigezogen ist, nehmen die Organschweine im Swimmingpool ein kleines Bad; dass dort Algen und Wasserpflanzen wachsen und sich eine ganze Froschpopulation tummelt, schreckt sie nicht. Das Problem des Rein- und Rauskommens haben sie gelöst, indem sie diverse Gartenmöbel ins flache Ende geschoben haben: Die Liegen bilden eine Art Rampe. Die Kleinen planschen und quieken mit Begeisterung; die älteren Säue und Eber tauchen nur kurz ins Wasser, legen sich an den Beckenrand und wachen von dort aus über ihre Jungen. Toby fragt sich, ob Schweine Sonnenbrand bekommen.
Das Abendessen wird eher improvisiert, aber im Essenssaal auf den runden Tischen mit den rosa Tischdecken im großen Stil serviert. Ein Futtersuchtrupp hat auf der Wiese geerntet, und so gibt es einen kräftigen Salat aus allerhand wildem Grünzeug. Rebecca hat eine kleine ungeöffnete Flasche Olivenöl entdeckt und eine köstliche Salatsoße zubereitet. Gedünsteten Portulak, halbgare Klettenwurzel, Hunölf-Dörrfleisch und Mo’Hair-Milch. In der Küche stand noch ein vergessenes Glas Zucker und zum Nachtisch bekommt jeder davon einen Teelöffel. Toby ist Zucker nicht mehr gewohnt: Die Süße schießt ihr wie ein Messerstich ins Gehirn.
»Ich muss dir was berichten«, sagt Rebecca, als sie hinterher die Küche aufräumen. »Deine Freunde haben dir einen Frosch gefangen. Sie haben mich gebeten, ihn zu braten.«
»Einen Frosch?«, fragt Toby.
»Ja. Fische haben sie hier nicht gefunden.«
»Ach du Schande«, sagt Toby. Die Craker werden nach ihrer Gutenachtgeschichte verlangen. Mit etwas Glück haben sie die rote Jimmymütze vergessen.
Abendstimmung, die Sonne versinkt. Grillen zirpen, Vögel begeben sich in ihre Nester, Amphibien quaken und klingen wie gezupfte Elastikbänder. Toby sucht nach etwas zum Überziehen, wenn sie gleich ihren Wachtposten einnimmt: Auf den Dach kann es kühl werden.
Gerade hüllt sie sich in ein rosa Laken, da schleicht sich der kleine Blackbeard ins Zimmer. Er entdeckt sein Spiegelbild, lächelt, winkt sich zu, führt ein kleines Tänzchen auf. Erst danach berichtet er: »Die Großen Schweine sagen, die drei bösen Männer sind da drüben.«
»Wo drüben?«, fragt Toby und ihr Puls schlägt schneller.
»Jenseits der Blumen. Hinter den Bäumen. Sie können sie riechen.«
»Sie dürfen nicht
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