Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
entscheiden: Kämpfe gegen deine Mithäftlinge, eliminiere sie und gewinne tolle Preise, zum Beispiel die Gratisentlassung und einen Job als Plebsland-Graumarktvollstrecker. Highlights allenthalben. Die Entscheidung fürs Painballspielen brachte natürlich mit sich, dass die Alternative zum Siegen der Tod war. Das machte die Sache ja so spannend. Wer überlebte, tat das durch Hinterlist, durch seine Fähigkeit, seinen Gegner auf dem falschen Fuß zu erwischen, und durch seine alles überragende Mordlust: Das Verspeisen von ausgestochenen Augen gehörte zu den beliebtesten Partytricks. Kurz und gut, man musste bereit sein, seinen besten Freund zu erstechen und zu filetieren.
Wer siegreich aus dem Painball hervorging, genoss als Veteran im tiefsten Plebsland wie auch in den höheren Wohnlagen ein beträchtliches Renommee, wohl ähnlich wie einst die römischen Gladiatoren. Konzernfrauen bezahlten sie für Sex, Konzernmänner luden sie zum Essen ein, um sich und ihren Gästen ein bisschen Nervenkitzel zu bereiten und zu sehen, wie ihre Champagnergläser zu Bruch gingen, wobei die Security nie weit war, falls der Abend ausartete. Etwas Randale war bei diesen Veranstaltungen durchaus akzeptabel, unkontrollierte Gewalt jedoch nicht.
Getrieben von ihrem Unterweltspromistatus waren die Veteranen bis Unterkante Oberlippe vollgepumpt mit Siegerhormonen und daher überzeugt, es mit jedem aufnehmen zu können, und sie begrüßten die Gelegenheit, einen großen, solide wirkenden Türsteher wie Smokey zu reizen. Nashorn hatte ihm nahegelegt, einem Painballer niemals den Rücken zuzudrehen: Sie schlugen einem in die Nieren, knallten einem den nächstbesten Gegenstand über den Kopf und drückten einem so lange die Gurgel zusammen, bis einem die Augen aus den Ohren quollen.
Woran sie zu erkennen waren? An den Narben im Gesicht. An ihrer ausdruckslosen Miene: Einige Spiegelneuronen und ein dicker Brocken Empathiebaustein waren ihnen abhandengekommen. Zeigt man einem normalen Menschen ein leidendes Kind, zuckt er zusammen; diese Kerle dagegen feixten. Jeb sagte, man müsse lernen, die Zeichen blitzschnell zu erkennen, denn wer einen Psycho vor sich habe, müsse sich dessen bewusst sein. Sonst hätten sie der jungen Künstlerin blitzschnell das Genick gebrochen, und das konnte teuer werden: Mädchen, die an einem Fuß vom Trapez hängen und gleichzeitig strippen konnten, waren rar gesät. Dasselbe galt für den orgasmussteigernden Python-Würgegriff. Um sich auf unschlagbare Weise als Alphamännchen in Szene zu setzen, könnte ein Painballveteran auf die Idee kommen, einer Python den Kopf abzubeißen, und selbst wenn der Biss verhindert werden könnte, wäre eine lädierte Pythonschlange auch nicht gerade leicht zu ersetzen.
Im Scales wurde eine ständig aktualisierte Liste mit Painballer-Namen einschließlich Passbild und Ohrprofil geführt, an die Katrina Wow durch irgendeine Hintertür im Tausch gegen Gott weiß was gekommen war. Sie musste irgendein hohes Tier vom Painball gekannt haben – irgendjemand, der etwas wollte, was sie ihm liefern beziehungsweise entziehen konnte. Gefälligkeiten und deren Erwiderung waren im tieferen Plebsland diejenige Währung, die am meisten Respekt genoss.
»Schlag als Erster zu, und zwar mit aller Kraft, das war unsere Regel für diese Painball-Arschlöcher«, sagt Zeb. »Sobald sie unruhig werden. Manchmal haben wir ihnen was in die Getränke getan, aber manchmal haben wir sie auch permanent beseitigt, denn sonst wären sie ja womöglich zurückgekommen, um sich zu rächen. Bei der Entsorgung der Leichen mussten wir aber höllisch aufpassen. Die konnten überall ihre Mittelsmänner haben.«
»Und was habt ihr mit den Leichen gemacht?«, fragt Toby.
»Sagen wir mal so, im tieferen Plebsland war immer Bedarf an kondensierten Proteinpäckchen, für Spaß, Geschäft oder Tiernahrung. Aber damals in der Anfangszeit, bevor das Corps den Entschluss fasste, Painball zu legalisieren und im Fernsehen auszustrahlen, waren noch nicht so viele enthemmte Painballer unterwegs, und die Entsorgung von Leichen war noch nicht gang und gäbe. Man musste da eher improvisieren.«
»Wenn man dir so zuhört, könnte man meinen, es ginge um irgendein lustiges Hobby«, sagt Toby. »Das waren doch auch Menschen, egal, was sie getan hatten.«
»Ja, ja, ich weiß, böser Junge. Wobei man nur als mehrfacher Mörder überhaupt beim Painball zugelassen wurde. Lange Rede, kurzer Sinn: Es war nicht ganz abwegig für uns
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