Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
Vom Netzwerk:
Schulterklopfern – eher ein zaghaftes Tätscheln –, der Hauptausdrucksform jener quasibrüderlichen Körpersprache, die in den Führungsetagen der Konzerne erlaubt war. Sie waren auf dem Weg zu Champagner und Häppchen und allem Drum und Dran. Trinkgelder würden üppig ausfallen, vorausgesetzt, sie bekämen einen hoch. Wozu Geld haben, wenn man seinen Reichtum nicht zur Schau stellt, indem man gönnerhafte Mengen Schotter über denjenigen ausgießt, die einem bei seinem Streben nach Selbstverherrlichung behilflich sind?
    Das Geile für die Konzernfuzzis war, dass sie an den Securityschranzen des Scales vorbeigehen und sie wie Luft behandeln konnten – wozu Blickkontakt herstellen mit einer Hecke? –, was vermutlich, sagt Zeb, schon im Römischen Reich nicht anders gehandhabt worden war. Und das war Zebs Glück, denn Hochwürden würdigte ihn keines Blickes. Nicht dass er Zeb erkannt hätte unter seiner flaumigen Gesichtswaffel und der dunklen Brille, mit dem kahlrasierten Schädel, den spitzen Ohren und alldem, hätte er sich denn die Mühe gemacht und hingesehen. Aber er machte sich die Mühe nicht. Zeb jedoch sah ihn an, und je länger er hinsah, desto weniger gefiel ihm, was er sah.
    Die Discokugeln drehten sich unaufhaltsam und tauchten die Kunden und Tänzerinnen in Lichtfetzen. Es lief Musik, ein Retro-Tango aus der Konserve. Fünf Paillettenmädchen verdrehten sich auf dem Trapez, die Titten über dem Boden, den Körper zur C-Form gewölbt und die Beine um den eigenen Nacken geschlungen. Ihre Zähne leuchteten im Schwarzlicht. Zeb bewegte sich auf das gläserne Flaschenregal zu, nahm die grüne Dame mit dem Läufer in ihrem Loch und ließ sie in seinem Ärmel verschwinden. »Ich geh mal eben pissen«, sagte er zu Jeb. »Falls jemand fragt.«
    In der Toilette schraubte er den Läufer auf und holte drei der Zauberbohnen hervor: eine weiße, eine rote und eine schwarze. Er leckte sich das Salz von den Fingern und steckte die Kapseln in seine Brusttasche, kehrte auf seinen Posten zurück und schob die schuppenbedeckte Dame geräuschlos zurück ins Regal. Niemand würde ihr Fehlen bemerkt haben.
    Hochwürdens Vierergruppe amüsierte sich königlich. Es war eine Feier, vermutete Zeb: wohl anlässlich der Rückkehr Hochwürdens in das, was gemeinhin als sein normales Leben galt. Die schlängelnden Schönheiten traktierten sie mit Drinks, während über ihnen die Trapezkünstlerinnen ihre gummiartigen Verrenkungen vollführten. Sie zeigten ein bisschen hiervon und davon, aber nie die ganze Palette: Scales hatte da Stil, und wer die ganze Peepshow wollte, musste schon was drauflegen. Es gehörte zum guten Ton, Bewunderung und Begehren zu zeigen: Die akrobatische Sündencharade war eigentlich nicht Hochwürdens Ding, denn schließlich wurde ja niemand dabei gequält, aber es gelang ihm, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sein Lächeln hatte diesen nervengeschädigten Botox-Look.
    Katrina Wow trat an die Bar. Heute war sie als Orchidee in sattem Pfirsichton mit lavendelblauen Akzenten gekleidet. Sie hatte sich ihre Pythonschlange March um den Hals und über die nackte Schulter drapiert.
    »Die haben für ihren Kumpel die Spezialität des Hauses bestellt«, sagte sie zum Barkeeper. »Mit dem Rausch von Eden.«
    »Viel Tequila?«, fragte der Barmann.
    »Alles rein«, sagte Katrina. »Ich sag den Mädchen Bescheid.«
    Die Spezialität des Hauses umfasste ein separates Federzimmer, ein Bett mit grünem Satinüberwurf und drei reptilienhafte Tänzerinnen, die laut Ankündigung den Kunden nach Herzenslust verwöhnten, und der Rausch von Eden war ein maximal reinballernder Kicktail. Kaum war das Glas geleert, hob der Kunde ab und tauchte in seine ganz persönliche Wunderwelt ein. Zeb hatte schon einiges von dem probiert, was im Scales zu haben war, aber vom Rausch von Eden hatte er die Finger gelassen. Er hatte Angst vor möglichen Visionen.
    Da war der Drink, er stand auf dem Tresen. Er war dunkelorangefarben und leicht sprudelnd, und in der Maraschinokirsche steckte ein Schlangenpiker aus Plastik. Die Schlange war grün glitzernd, hatte große Augen und einen lächelnden Lippenstiftmund.
    Zeb hätte seinem hässlichen Impuls widerstehen müssen. Seine Tat war fahrlässig, das gibt er freimütig zu. Aber man lebt nur einmal, sagte er sich, und Hochwürden hatte sein eines Leben aufgebraucht. Zeb überlegte, welche der drei Kapseln er in den Drink geben sollte – weiß, rot oder schwarz? Jetzt mal nicht geizen,

Weitere Kostenlose Bücher