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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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geschlendert kommen.«
    Überall liegen die Craker und schlafen friedlich. Wie zutraulich sie sind, denkt Toby. Wahre Angst haben sie nie gelernt. Vielleicht sind sie gar nicht dazu in der Lage.
    »Du hast also geglaubt, ich lebe?«, fragt Zeb.
    »Ich habe auf dich gezählt«, sagt Toby. »Ich dachte, wenn jemand weiß, wie man überlebt, dann du. An manchen Tagen habe ich mir eingeredet, du seist tot. Das nannte ich ›realistisch sein‹. Aber ansonsten habe ich gewartet.«
    »Und, hat sich’s gelohnt?«, fragt Zeb. Unsichtbares Grinsen in der Dunkelheit.
    »Traust du der Sache nicht? Musst du wirklich erst fragen?«
    »Irgendwie ja«, sagt Zeb. »Früher hab ich mich für ein Geschenk Gottes gehalten, aber das lässt irgendwann nach. Schon bei unserer ersten Begegnung, damals bei den Gärtnern, hab ich gemerkt, dass du schlauer warst als ich, mit deinen Pilzen und Mixturen und dem ganzen Zeug.«
    »Aber du warst cleverer«, sagt Toby.
    »Kann sein. Wobei ich manchmal ein bisschen zu clever war. Wo war ich stehengeblieben?«
    »Du lebtest bei den Schlangenfrauen«, sagt Toby. »Im Scales and Tails. Du hast den Ball flachgehalten, die Augen offen gehalten, die Hände in den Taschen gelassen und geschwiegen wie ein Grab.«
    »Richtig.«
    Zeb wurde Türsteher. Es war eine erstklassige Tarnung. Er bekam den rasierten Schädel, den schwarzen Anzug, die Sonnenbrille und den Goldzahn, der ihm direkt in den Mund sendete. Auch die geschmackvolle Reversnadel in Form einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt: antikes Motiv und Sinnbild der Erneuerung, sagte Adam, wobei man Zeb auch alles andere hätte erzählen können.
    Aus der Gesichtsbehaarung formte er die zeitgemäße Plebsland-Türsteherfrise, die daraus bestand, mit einem sehr schmalen Rasierer den Dreitagebart so zu schraffieren, dass man aussah wie eine flaumige Waffel. Zur selben Zeit ließ er sich auf Adams Empfehlung hin die Ohren neu konturieren. Immer öfter wurden auf Ausweisen die Ohren abgebildet, und es wäre gut, wenn auch Zeb sich dazu entschließen könne, damit sich seine Ohren nicht mit irgendwelchen Uraltfotos abgleichen ließen, falls jemand darauf aus war. Der eigentliche Eingriff ging auf Rechnung Katrina Wows, die Beziehungen zu einigen Erste-Liga-Fleisch-und-Fett-Plastikern hatte. Zeb wählte ein eher spitz zulaufendes Modell mit eher tropfenförmigem Ohrläppchen.
    »Gibt nichts zu sehen«, sagte er. »Ich hab sie danach noch einige Male ändern lassen. Aber ne Zeitlang war ich ne Mischung aus Kobold und Buddha.«
    »Genau so sehe ich dich«, sagt Toby.
    Zebs Aufgabe bestand darin, im Tresenbereich herumzustehen, nicht gerade breit zu grinsen, aber auch nicht als aktive Bedrohung aufzutreten: nur mehr oder weniger dräuend. Sein Partner war ein großer Schwarzer namens – zumindest damals – Jebediah, später bekannt als Schwarznashorn. Zeb und Jeb, so waren die beiden für Zeb miteinander verknüpft.
    Auch wenn er für die Leute im Scales nicht Zeb war, Hektor der Vektor war er genauso wenig. Er hatte noch einen weiteren Namen: Smokey. Smokey der Bär, wie das alte Naturschutz-Maskottchen, das vor Waldbränden warnte. Der Name passte gut, denn genau das war seine Aufgabe: Waldbrände verhindern.
    Wenn Kunden nach Randale aussahen – angekündigt durch finstere Blicke, Ausfälligkeiten, ungehöriges Grabschen und Reißen an Federschmuck, Schuppen- oder Blumenkostümen während der Show oder affiges Schütteln von Bierdosen und Zielen mit Schaumfontänen als Vorbote von fliegenden Dosen und Fäusten –, traten Zeb und Jeb auf den Plan. Sie gingen von passivem Drohen zu aktiver Einmischung über, wobei das Ziel darin bestand, die Aggressoren sauber und geschmeidig aus dem Laden zu befördern, ohne eine Massenschlägerei auszulösen. Prompter Aktionismus war also ein Muss, wobei man die Kunden natürlich nicht unnötig verärgern wollte: Ein geschlagener Kunde war selten Wiederholungstäter.
    Auch stammten immer mehr Kunden aus den obersten Schichten der Konzern-Torte, und diese Crème de la Crème betrieb gern Elendstourismus in die Plebs, wenn auch ungern in lebensgefährdender Form. Gerade genug, um sich ein bisschen als Rebell zu fühlen, ein bisschen cool, ein bisschen sexuell funktionstüchtig. Das Scales and Tails erwarb sich immer mehr den Ruf als hygienischer und diskreter Ort, an dem man sich die Kante geben und indiskret werden konnte. Und als komplizierte Form von Bestechung konnte man einen angehenden

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