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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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zusammenlebte.
    Die irritierende Lucerne, die sich ständig vor dem kollektiven Unkrautjäten drückte, den Nähzirkel der Frauen verschmähte, andauernd Kopfschmerzen vorschob, die Zeb ein Drachen und Ren eine Rabenmutter war. Die üppige Lucerne, einst wohnhaft im HelthWyzer-Komplex, Ehefrau eines hochrangigen Bio-Nerds. Lucerne, die romantische Phantastin, die mit dem ruppigen, struppigen Zeb durchgebrannt war, weil sie zu viele Filme gesehen hatte, in denen Frauen genau das tun.
    In Lucernes Version war Zeb ihr hoffnungslos verfallen. Er hatte geschielt vor Verlangen, als er sie damals im AnuYu-Spa zum ersten Mal in ihrem rosa Negligé sah, während er in seiner Funktion als Gärtner Lumirosen pflanzte: Er hatte sie voller Inbrunst und Leidenschaft auf der Stelle genommen, auf dem taubenetzten morgendlichen Rasen. Diese Geschichte hatte sich Toby immer wieder von Lucerne anhören müssen, damals bei den Gärtnern, und sie hatte ihr von Mal zu Mal weniger gefallen. Wenn sie sich über das Geländer beugte und runterspuckte, würde sie ungefähr genau die Stelle treffen, wo Zeb und Lucerne zum ersten Mal auf dem Rasen herumgerollt waren. Oder fast.
    »Richtig«, sagt Zeb. »Lucerne. Das war das nächste Kapitel in meinem Leben. Ich kann’s auch überspringen, wenn dir das lieber wäre.«
    »Nein«, sagt Toby. »Deine Seite habe ich ja nie gehört. Aber Lucerne hat mir von den Lumirosenblüten erzählt. Wie du sie ihr über ihren lustvoll zuckenden Körper gestreut hast und so weiter.« Sie gibt sich alle Mühe, nicht eifersüchtig zu klingen, aber es fällt ihr schwer. Hat jemals einer Lumirosenblüten über ihren lustvoll zuckenden Körper gestreut oder auch nur darüber nachgedacht? Nein. Sie ist einfach nicht der Typ, über den man Blütenblätter streut. Sie würde den Augenblick nur zerstören – › Was machst du denn da mit diesen bescheuerten Blüten? ‹. Oder sie würde lachen, was fatal wäre. Aber jetzt muss sie die Klappe halten und sich mit Kommentaren zurückhalten, wenn sie die Geschichte hören will.
    »Na ja, klar, Blütenstreuen ist genau mein Ding, als ehemaliger Zauberlehrling«, sagt Zeb. »Lenkt super ab. Aber an dem, was sie dir erzählt hat, war vielleicht ein Körnchen Wahrheit.«
    Die erste Begegnung zwischen Zeb und Lucerne fand jedoch nicht im AnuYu-Spa statt, sondern in der Damentoilette, die Zeb eigentlich hätte putzen sollen – die er tatsächlich putzte –, während er den Abfallbehälter nach Pfirsich- oder anderweitigen Kernen durchwühlte. Bisher hatte er noch keine finden können – entweder lag das Resultat des lustig bunten DNA -Tests noch nicht vor oder Pilar hatte die nötigen Kerne nicht zusammen –, also kam er gerade kernlos aus der zweiten Kabine von links. Als Lucerne leibhaftig das Damenklo betrat.
    »Das war mitten in der Nacht?«, fragt Toby.
    »Richtig. Was macht sie hier, hab ich mich gefragt. Entweder war sie wie ich ein Robin Hood, und in dem Fall wäre sie wirklich unfähig gewesen, weil sie sich zur falschen Zeit am falschen Ort hatte erwischen lassen. Oder sie hatte was mit einem aus der HelthWyzer-Führungsriege, der ihr den Hauptschlüssel zum Gebäude zugesteckt hatte, damit sie’s auf seinem edlen Teppich treiben konnten, während er angeblich Überstunden im Büro machte und sie angeblich im Fitness-Studio war. Wobei es selbst dafür einen Tick zu spät war.«
    »Oder beides«, sagt Toby. »Vielleicht hatte sie was mit einem und war trotzdem als Robin Hood unterwegs.«
    »Klar. Ist ja auch ne gute Kombination: Jeder kann dem anderen ein Alibi bieten. Aber nein, ich hab keine Daten geklaut, ich hab nur meinen Mann betrogen. Aber nein, ich hab meine Frau nicht betrogen, ich hab nur ein paar Daten geklaut. Aber Ersteres auf jeden Fall. Alles deutete darauf hin.«
    Lucerne stieß einen kleinen Schrei aus, als sie Zeb in seinen Schutzhandschuhen und mit Außerirdischen-Nasenhut aus der Kabine auftauchen sah. Seiner Meinung nach stieß sie nicht zum ersten Mal in dieser Nacht einen kleinen Schrei aus: Sie war gerötet und außer Atem und das, was man allgemein als zerzaust bezeichnet. Oder auch halbnackt. Oder, wenn man’s feiner ausdrücken wollte, ein wenig in Unordnung. Dass sie in diesem Moment sehr attraktiv aussah, war logisch.
    Logisch, denkt Toby.
    »Was machen Sie hier in der Damentoilette?«, fragte Lucerne vorwurfsvoll. Regel Nummer eins: Wer auf frischer Tat ertappt wird, muss den Spieß umdrehen. Sie sagte Damentoilette, nicht

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