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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Zellprobe gab, machten wir also einen Plan aus.
    Schon vorher – als ich im KryoGenjus-Zug unterwegs war und sie meine Desinfektor-Identität zusammenstellte und ins System eingab, hatte sie in Erfahrung gebracht, dass ich die Damentoilette im Flur am anderen Ende ihres Labors putzen sollte. Ich hatte die Nachtschicht – um diese Zeit arbeiteten nur Männer, die wollten kein Gegrapsche und Geschrei, wie es gemischtgeschlechtlich vielleicht der Fall gewesen wäre. Also hatte ich nach Einbruch der Dunkelheit den Flur für mich allein. Zweite Kabine von links, auf die musste ich achten.«
    »Sie hat einen Zettel im Wasserkasten hinterlegt?«
    »Das wäre zu offensichtlich gewesen. Die Wasserkästen wurden regelmäßig kontrolliert; nur ein Stümper würde dort was Wichtiges verstecken. Unsere Dropbox war einer dieser rechteckigen Abfallbehälter, die in jeder Toilette stehen. Für das Zeug, das man nicht runterspülen soll. Aber es war kein Zettel; viel zu auffällig.«
    »Also ein Zeichen?« Toby fragt sich, was für eine Art Zeichen. Eins für Freude, zwei für Leid? Aber ein oder zwei wovon?
    »Genau. Irgendwas, das nicht fehl am Platz wirken würde, aber nicht das Übliche. Kerne, hat sie dann beschlossen.«
    »Kerne? Was meinst du damit?« Toby versucht sich Kerne vorzustellen. »Sowas wie Pfirsichkerne?«, rät sie.
    »Richtig. Es könnte ja jemand in der Mittagspause in der Toilette was gegessen haben. Einige Sekretärinnen machten das so – die haben sich aufs Klo verzogen, um mal ihre Ruhe zu haben. Ich hab da manchmal Sandwichreste gefunden: ein Stück Speck oder Analogkäse. Bei HelthWyzer stand man oft unter großem Zeitdruck, und zwar umso mehr, je weniger Status man hatte, also gönnten sich die Frauen ab und zu heimlich ne kleine Atempause.«
    »Und aus welchen Kernen konntet ihr auswählen?«, fragt Toby. »Für das Ja oder Nein?« Pilars Gedankengänge hatten sie immer schon fasziniert: Sie hätte sich nicht für irgendein Obst entschieden.
    »Pfirsichkern für: keine Verwandtschaft mit Hochwürden. Dattelkern für ja: Pech gehabt, Hochwürden ist dein Vater, vernimm’s und klage, denn du bist mindestens zur Hälfte Psychopath.«
    Die Wahl des Pfirsichs erscheint Toby sinnvoll: Pfirsiche waren bei den Gärtnern beliebt, da sie eine der möglichen Kandidaten für die Frucht vom Baum des Lebens im Garten Eden war. Nicht dass die Gärtner etwas gegen Datteln oder andere Früchte gehabt hätten – sofern sie nicht chemisch behandelt wurden.
    »Dann muss HelthWyzer ja Zugang zu richtig teurem Obst gehabt haben. Ich dachte, um die Zeit herum seien die Pfirsich- und Apfelernten so schlecht gewesen, zur Zeit des großen Bienensterbens. Genau wie mit den Pflaumen«, fügt sie hinzu. »Und den Zitrusfrüchten.«
    »HelthWyzer war damals dick im Geschäft«, sagt Zeb. »Die fuhren richtig Kohle ein mit ihren Vitaminpillen und Medikamenten. So konnten sie sich die cyberbestäubten Imports leisten. Das gehörte zu den Annehmlichkeiten bei HelthWyzer, das frische Obst. Natürlich nur für die höheren Tiere.«
    »Welchen hast du denn gefunden?«, fragt Toby. »Ich meine, welchen Kern?«
    »Pfirsch. Zwei Stück. Zur Betonung.«
    »Und wie ging’s dir damit?«, fragt Toby.
    »Mit dem Übermaß an teurem Obst?«, sagt Zeb. Er drückt sich vor seinen Gefühlen.
    »Mit der Feststellung, dass dein Vater gar nicht dein Vater war«, sagt Toby geduldig. »Du musst doch irgendwas gefühlt haben.«
    »Ist ja gut. Ich hatte das Gefühl, wusst ich’s doch . Ich hab nun mal gerne recht, aber wer hat das nicht? Und ich fühlte mich weniger schuldig, dass ich ihn, na ja, zu Tode geschäumt hatte.«
    »Du hast dich schuldig gefühlt?«, fragt Toby. »Selbst wenn er dein Vater gewesen wäre, er war doch so ein …«
    »Ja, weiß ich. Aber trotzdem. Blut ist dicker als Blut. Es hätte mich schon beschäftigt. Der Nachteil war die Sache mit Adam. Da hatte ich ein weniger gutes Gefühl. Plötzlich war er nicht mehr mit mir verwandt. Zumindest nicht genetisch.«
    »Hast du’s ihm gesagt?«, fragt Toby.
    »Nee. Für mich ist und bleibt er mein Bruder, hab ich mir gesagt. Am Kopf verbunden. Wir hatten ne Menge Gemeinsamkeiten.«
    »Jetzt komm ich zu einem Teil der Geschichte, der dir nicht so gut gefallen wird, Baby«, sagt Zeb.
    »Weil es um Lucerne geht?«, fragt Toby. Zeb ist nicht blöd. Er muss längst geahnt haben – etwa seit sie sich kennen –, wie sie zu Lucerne stand, jener Frau, mit der er bei den Gärtnern

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