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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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fragwürdiges Flirtgespräch vertieft, sie zum Üben, er aus Verzweiflung.
    Toby sucht nach Zeb, aber er ist nirgends zu sehen; vielleicht duscht er. Crozier will gerade mit der Mo’Hairschafherde losziehen; Zunzuncito begleitet ihn mit seinem Spraygewehr. Jimmys Hängematte hängt unter dem Baum und wird von einem Dreiergespann Craker bewacht.
    Lotis Blue und Ren arbeiten an einem Anbau für das Lehmhaus. Die MaddAddamiten haben abgestimmt und beschlossen, die Anzahl der Schlafnischen zu erhöhen; die neuen wollen sie geräumiger gestalten. Der Originalbau war ein Freilichtmuseum und zeigte das Leben aus der guten alten Zeit: auf alt gemacht wie ein Dinosaurier aus Zement. Früher wurde hier auf dem Gelände der Baum des Lebens – Naturalienmarkt abgehalten; Toby weiß noch, wie sie mit den Gottesgärtnern herkam, um Recyclingseife, Essig, Honig, Pilze und Dachgemüse anzubieten, damals, als noch gekauft und verkauft wurde, damals, als es noch Menschen gab.
    Ich sollte mich unbedingt mal nach Bienen umsehen, denkt sie. Es muss doch ein paar Flüchtlinge geben, irgendwo zwischen den Bäumen. Es wäre beruhigend und auch nützlich, ein wenig Imkerei zu betreiben.
    Der Anbau muss in Stadien erfolgen. Heute Morgen rühren Ren und Lotis Blue in einer Mickymaus-Plastikwanne Schlamm, Stroh und Sand zusammen. Der Holzrahmen steht schon, Tag für Tag kommen neue Lehmschichten hinzu. Aufgrund der Nachmittagsstürme ist das Trocknen der Schichten ein Problem, aber glücklicherweise haben sie auf ihren Streifzügen eine Plastikplane gefunden.
    Amanda sitzt in der Nähe, hat die Hände im Schoß und macht gar nichts. Sie macht sehr viel gar nichts, denkt Toby, aber vielleicht ist der Heilungsprozess eben langsam, wie etwas, das lange im Ofen bleiben muss. Vielleicht wird das Endresultat dann besser. Aber immerhin hat sie ein paar Kilo zugenommen. Sie hat sich in letzter Zeit Mühe gegeben: hier und da etwas Unkraut gejätet, ein paar Nacktschnecken und Weinbergschnecken vom Grünzeug gepflückt. Auf dem alten Dachgarten Eden hatten sie die gefräßigen Mitgeschöpfe umgesiedelt, indem sie sie auf die Straße fallen ließen – auch Schnecken hatten ein Recht auf Leben, so das Mantra, nur nicht an unpassenden Orten wie in Salatschüsseln, denn man hätte sie ja aus Versehen zerkauen können. Doch inzwischen sind sie zahlenmäßig kaum noch zu bewältigen – jede Pflanze scheint spontan Schnecken hervorzubringen –, also werden sie entsprechend der allgemeinen stillschweigenden Übereinkunft in Salzwasser geworfen.
    Obwohl die Schnecken zucken und schäumen, scheint Amanda ihren Spaß dabei zu haben. Doch die Bauarbeiten am Lehmhaus überfordern sie. Sie war früher so stark: Sie hatte vor nichts Angst. Sie war eine knallharte Plebsratte, sie mogelte sich überall durch, sie kam mit allem klar. Von den beiden Mädchen war immer Ren die Schwächere, die Ängstlichere. Was immer Amanda erlebt hat – was immer ihr die Painballer angetan haben –, es muss schrecklich gewesen sein.
    Einige Crakerkinder beobachten, wie die Lehmmischung zusammengerührt wird. Bestimmt stellen sie wieder Fragen: Warum macht ihr das? Macht ihr ein Chaos? Was ist das mit den runden schwarzen Dingern am Kopf? Was ist eine Mickymaus? Aber das sind keine Mäuse, wir haben schon Mäuse gesehen, Mäuse haben keine großen weißen Hände , und so weiter und so fort. Alles Neue, was sie auf MaddAddamiten-Gebiet entdecken, ruft ihre Verwunderung hervor. Gestern hatte Crozier beim Schafehüten ein Päckchen Zigaretten gefunden, und die Craker kriegen sich noch immer nicht ein. Er hat ein weißes Stäbchen angezündet! Er hat es sich in den Mund gesteckt! Er hat den Rauch eingeatmet! Warum hast du das getan, o Crozier? Rauch ist nicht zum Atmen, Rauch ist zum Räuchern von Fischen und so weiter.
    »Sag ihnen einfach, das ist ein Ding des Crake«, sagt Toby, und Crozier befolgt ihren Rat. Ein Ding des Crake, das passt immer und auf alles.
    Einige der Craker – eine Handvoll Frauen, ein paar kleine Kinder – sind drüben auf dem einstigen Spielplatz draußen vor dem Zaun des Lehmhauses und knabbern an den Kudzuranken, die sich um die Schaukel geschlungen haben. Kudzu gehört zu ihren Lieblingspflanzen; was von der weisen Voraussicht Crakes zeugt, denn an Kudzu wird in absehbarer Zeit kein Mangel herrschen. Die rote Plastikrutsche haben sie fast freigelegt, und die Kinder streicheln sie, als wenn sie ein lebendes Wesen wäre. Hätten sie nicht angefangen

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