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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Mutter.
    Weil Adams Mutter weggelaufen war, als Adam noch sehr klein war, und Adams Vater verlassen hatte.
    Weglaufen bedeutet, dass sie sehr schnell den Ort gewechselt hat. Wobei sie vielleicht gar nicht wirklich gelaufen ist. Vielleicht ist sie gegangen oder gefahren, in einem … Also hat Adam sie nie wieder gesehen.
    Ja, das war bestimmt sehr traurig für ihn.
    Weil sie sich mit mehr als einem Mann paaren wollte, nicht nur mit Zebs Vater. Zumindest hat Zebs Vater das so gesagt.
    Ja, so etwas zu wollen war eine gute Sache, und bei euch wäre sie damit glücklich gewesen. Sie hätte sich mit vier Männern auf einmal paaren können, genau wie ihr das macht. Sie wäre sehr glücklich!
    Aber Zebs Vater hat das anders gesehen.
    Denn er hatte etwas mit ihr getan, was man heiraten nennt, und wenn man heiratet, heißt das, dass es eine Frau für einen Mann gibt und einen Mann für eine Frau. Auch wenn es manchmal mehr waren. Aber so sollte es eben nicht sein.
    Weil es das Chaos war. Es war ein Ding des Chaos. Deswegen könnt ihr das nicht verstehen.
    Heiraten gibt es heute nicht mehr. Crake hat das Heiraten beseitigt, weil er es blöd fand.
    Blöd sind alle Dinge, die Crake nicht mochte. Es gab viele Dinge, die Crake blöd fand.
    Ja, der liebe, gütige Crake. Wenn ihr singt, erzähle ich nicht weiter.
    Weil ich dann vergesse, was ich gerade erzählen wollte.
    Danke.
    Also, dann hat Adams Vater eine neue Frau zum Heiraten gefunden, und Zeb wurde geboren. Jetzt war der kleine Adam nicht mehr so allein, denn er hatte einen Bruder. Und Adam und Zeb halfen einander. Aber Zebs Vater hat ihnen manchmal weh getan.
    Ich weiß nicht, warum. Er dachte, Schmerzen seien gut für Kinder.
    Nein, so böse wie die zwei bösen Männer, die Amanda weh getan haben, war er nicht. Aber er war kein guter Mensch.
    Ich weiß nicht, warum manche Menschen damals nicht gut waren. Das war ein Ding des Chaos.
    Und Zebs Mutter machte oft ein Nickerchen oder sie machte andere Sachen, die sie interessierten. Sie hatte wenig Interesse an kleinen Kindern. Und sie sagte: »Irgendwann bringst du mich noch ins Grab.«
    Ins Grab bringen , das ist schwer zu erklären. Es bedeutet, das sie unzufrieden mit ihnen war.
    Nein, Zeb hat seine Mutter nicht getötet. Ins Grab bringen , das hat sie einfach so gesagt. Sie hat es oft gesagt.
    Warum sie das gesagt hat, wenn es gar nicht stimmte? Es war … die Leute redeten einfach so. Es war weder wahr noch unwahr. Es war ein Zwischending. So erklärte man anderen Menschen, dass man ein Gefühl hatte. Es war eine Redewendung. Eine Redewendung bedeutet …
    Ihr habt recht. Zebs Mutter war auch kein guter Mensch. Manchmal half sie Zebs Vater, Zeb in einem Schrank einzusperren.
    Einsperren bedeutet … Schrank bedeutet … Es war ein sehr kleines Zimmer und es war dunkel und Zeb kam nicht von allein wieder raus. Zumindest glaubten sie das. Aber Zeb lernte bald, wie man geschlossene Türen öffnet.
    Nein. Diese Mutter konnte nicht singen. Nicht wie eure Mütter. Und eure Väter. Und ihr.
    Aber Zeb konnte singen. Er hat immer gesungen, wenn er im Schrank eingesperrt war. Er hat Lieder gesungen.

Die Ölgötzen
    Zebs Mutter Trudy war die brave Ehefrau, und Adams Mutter Fenella war das sexsüchtige Miststück, das sich mit jedem einließ. Zumindest war es das, was Trudy und Hochwürden erzählen. Da die beiden immer wieder darauf abhoben, dass Zeb zu nichts nutze und sie so wahnsinnig rechtschaffen seien, glaubte er natürlich, er sei adoptiert worden, denn wie hätte er von so makelloser DNA abstammen können?
    Seine Tagträume drehten sich darum, dass Fenella seine richtige Rabenmutter war, die ihn im Stich gelassen hatte. Sie hatte Hals über Kopf fliehen müssen und hatte ihn nicht mitnehmen können – und deswegen in einem Pappkarton auf den Stufen vor dem Haus abgestellt, und die schreckliche Trudy, die überhaupt nicht mit ihm verwandt war und nur so tat als ob, hatte ihn aufgenommen, um ihn mit Füßen zu treten. Fenella – wo immer sie stecken mochte – bedauerte zutiefst, ihn verlassen zu haben, und wollte zurückkommen und ihn holen, sobald sie es einrichten konnte. Dann würden sie zusammen ganz weit wegfahren und alles, aber auch wirklich alles machen, was auf Hochwürdens schwarzer Liste stand. Er sah sie zusammen auf einer Parkbank sitzen, Lakritzstangen essen und glücklich in der Nase bohren. Nur so als Beispiel.
    Aber das war damals, als er noch klein war. Als er das mit der Genetik begriffen hatte,

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