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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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doch kreiste sie nur um sich selbst, und zwar im großen Stil. Sie wollte profitieren, und Hochwürden bot dafür die nimmer versiegende Quelle.
    Nachdem sie Zeb klargemacht hatte, was für ein vorbildliches Kind Adam sei, hob sie hervor, dass Adams Linientreue umso bemerkenswerter, ja umso lobenswerter sei, wenn man bedachte, dass … und dann verstummte sie jäh, weil Adams Mutter Fenella bei Trudy und Hochwürden eher ein Tabuthema war. Dabei hätten die beiden sie und ihr skandalöses Verhalten anführen können, um Adam fertigzumachen – sein genetisches Erbe durch den Dreck zu ziehen –, aber das taten sie nicht. Er war viel zu sehr Unschuldslamm mit seinen großen blauen Augen und seinem schmalen Heiligengesicht.
    Zeb fielen ein paar alte Fotos von Fenella in die Hände – sie waren auf einem USB -Stick in einer Kiste unten in dem Schrank, in dem er häufig eingesperrt wurde. Er hatte dort eine Minileuchte versteckt, um im Dunkeln sehen zu können. Er fand den Stick, ließ ihn mitgehen und steckte ihn aus purer Neugier in Hochwürdens Rechner. Das Ding funktionierte noch: Zu sehen waren etwa dreißig Fotos von Fenella, einige mit dem winzig kleinen Adam, einige mit Hochwürden, und nur selten wurde gelächelt. Der USB -Stick musste übersehen worden sein, denn es gab sonst keine Fotos von Fenella im Haus. Sie wirkte überhaupt nicht wie eine Schlampe; sie hatte den gleichen schmalen, treuen, großäugigen Ausdruck im Gesicht wie Adam.
    Zeb verknallte sich ziemlich heftig in sie: Könnte er doch nur mit ihr reden und ihr erzählen, was Sache war, dann wäre sie auf seiner Seite, sie würde das ganze Spiel genauso verabscheuen wie er selbst. So musste es gewesen sein, denn war sie etwa nicht abgehauen? Wobei sie überhaupt nicht danach aussah, sie wirkte nicht stark genug.
    Manchmal war er eifersüchtig auf Adam, weil Adam Fenella als Mutter gehabt hatte und er selbst nur Trudy. Dann gewann wieder sein Unmut gegen Adams todsicheres Strafvermeidungssystem die Oberhand, und er teilte privat gegen Adam aus: Kacke im Bett, tote Maus im Handwaschbecken, Wasserhähne im Bad vertauschen – Klempnern hatte er inzwischen auch gelernt – oder einfach nur sein Bettzeug vermurksen. Die ganz normalen Fiesheiten. Hochwürden hatte einiges rausgeholt aus seinen Ölaktien, dazu sprudelte stetig das Ersparte seiner zahlungswilligen Gemeinde, und sie lebten in einem großen Haus, Trudy und Hochwürden in einem Flügel und Adam und Zeb im anderen. Wenn Adam also jaulte, würde ihn niemand hören. Aber er jaulte nie; er sandte nur seinen vorwurfsvollen Ich-vergebe-dir-Blick aus, der einem zehnmal mehr auf den Zeiger ging.
    Hin und wieder zog Zeb seinen Bruder mit Fenella auf. Er sagte, sie sei bestimmt am ganzen Körper tätowiert gewesen, auch an den Titten; er sagte, sie sei eine Koksnase gewesen; er sagte, sie sei mit einem Biker abgehauen, nein, mit einem Dutzend Biker, mit denen sie’s nacheinander getrieben hätte; er sagte, sie habe auf den Straßen von Las Vegas ihren Körper an gestörte Junkies und syphilitische Luden verkauft. Warum er so schlecht über die Frau sprach, die er für sein Alter Ego hielt, für seine geister- und zauberhafte Helferin, eine regelrechte Marmorgöttin? Wer weiß?
    Das Eigenartige war, dass Adam niemals widersprach. Er schenkte ihm bloß ein gespenstisches Lächeln, als wisse er etwas, was Zeb nicht wusste.
    Adam hielt immer den Mund, wenn Zeb ihm Streiche spielte. Er war immer schon ein verschwiegener kleiner Mistkerl. Jedenfalls arbeiteten die beiden meist im Team. In der Schule – CapRock, eine private, von einem der Ölkonzerne finanzierte Jungsschule – hießen sie wegen ihres Vaters immer nur die Ölgötzen, aber man ließ sie in Ruhe, zumindest nachdem Zeb eine gewisse Körpergröße erreicht hatte. Adam allein wäre leichte Beute gewesen, dürr und bleich, wie er war; aber wenn jemand auch nur den Finger in seine Richtung hob, wurde er von Zeb windelweich geprügelt. Das musste er nur zweimal tun. Sowas sprach sich herum.

Schillizzis Hände
    Angesichts der konzertierten Gehirnwäsche durch Trudy und Hochwürden dachten sich Adam und Zeb Ausweichmanöver aus. Wem oder was wollte sie ausweichen, außer einer Strafe? Allem, was sie auf den rechten Weg hätte führen können, den Heiligen Weg des PetrOleum, auf den sie von Hochwürden und Trudy unablässig gedrängt wurden.
    In Adams Fall waren es dreiste Lügengeschichten – er konnte fast jeden außer Zeb davon

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