Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
Tonfall ist schwer einzuordnen.
»Vergiss nicht den Teil mit dem Oleum. Das war noch wichtiger als der mit Petrus. Hochwürden konnte stundenlange Reden schwingen zum Thema Oleum. »Meine Freunde, wie wir alle wissen, ist oleum das lateinische Wort für Öl. Und in der Tat ist Öl durch die ganze Bibel hindurch heilig! Womit sonst werden Priester, Propheten und Könige gesalbt? Mit Öl! Öl ist das Zeichen der Auserwählten, das Chrisam! Welche Beweise brauchen wir noch von der Heiligkeit unseres Öls, das Gott für die Nutzung durch die Frommen in die Erde gebracht hat, um seine Werke zu multiplizieren? Seine Maschinen zur Ölgewinnung sind auf diesem Planeten, über den wir herrschen, überall verbreitet, um die Früchte des Oleums unter uns zu verteilen! Heißt es etwa nicht in der Bibel, man solle sein Licht nicht unter den Scheffel stellen? Und was sonst bringt die Lampen so gut zum Leuchten wie Öl? Ja, Öl, meine Freunde! Das heilige Oleum darf nicht unter den Scheffel gestellt werden, denn das zu tun würde heißen, die Heilige Schrift zu schmähen! Erhebt die Stimmen und lasst das Oleum sprudeln, in immer stärkeren und gesegneteren Strömen!«
»So hat er geredet?«, fragt Toby.
»Aber hallo. Das Geschwafel hätte ich im Kopfstand runterbeten können, so oft, wie ich’s gehört hab. Ich, und Adam auch.«
»Du hast es echt drauf«, sagt Toby.
»Adam war noch besser. In Hochwürdens Kirche – und auch an seinem Tisch – haben wir nicht um Vergebung gebetet, nicht mal um Regen, auch wenn wir weiß Gott beides hätten gebrauchen können. Wir haben um Öl gebetet. Ach ja, und um Erdgas – das hatte Hochwürden auch auf seiner Liste der Geschenke des Himmels für die Auserwählten stehen. Jedes Mal, wenn wir vor dem Essen beteten, wies Hochwürden darauf hin, dass das Öl unser Brot auf den Tisch brächte, weil es die Traktoren betrieb, die die Felder pflügten, und die Lkws , die die Lebensmittel in die Geschäfte brachten, und auch das Auto, mit dem unsere liebende Mutter Trudy zum Supermarkt fuhr, und den Strom, der die Hitze erzeugte, um das Essen zu kochen. Wir könnten das Öl genauso gut essen und trinken – wobei da ja irgendwie auch was dran war –, also ab auf die Knie!
Ungefähr an dem Punkt in der Rede fingen Adam und ich immer an, uns gegenseitig unterm Tisch zu treten. Die Idee war, den anderen so fest zu treten, bis er jaulte oder zusammenzuckte, aber man durfte dabei keinen Mucks von sich geben, denn sonst bekäme man eine gewischt oder müsste seine Pisse trinken. Oder Schlimmeres. Aber Adam war kein Jauler. Dafür hab ich ihn immer bewundert.«
»Aber doch nicht wortwörtlich?«, fragt Toby. »Das mit der Pisse.«
»Ehrenwort«, sagt Zeb. »Bei allem, was mir heilig ist.«
»Ich dachte, ihr hättet euch gemocht«, sagt Toby. »Du und Adam.«
»Haben wir ja auch. Diese Tritte unterm Tisch, das ist n Jungsding.«
»Und ihr wart wie alt?«
»Viel zu alt«, sagt Zeb. »Adam war ja der Ältere. Zwar nur ein paar Jahre älter, aber er war das, was die Gärtner eine alte Seele genannt hätten. Er war weise, ich war dumm. So war es immer.«
Adam war ein schmales Handtuch. Obwohl älter, war er nicht halb so stark wie Zeb, nachdem Zeb die Fünfjahresmarke passiert hatte. Adam war systematisch: Er überlegte, er dachte immer alles zu Ende. Zeb war impulsiv: Er schoss aus der Hüfte, ließ sich von seinem Zorn leiten. Er brachte sich oft in Schwierigkeiten, schaffte es aber immer wieder, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Doch als Gespann waren die beiden ziemlich unschlagbar: Zeb war der böse Junge, der gut darin war, Böses zu tun, und Adam war der gute Junge, der schlecht darin war, Gutes zu tun. Oder besser, der mit guten Taten seine bösen Taten tarnte. Adam und Zebulon: Buchstützen, wie beim Alphabet. Die possierliche A-bis-Z-Symmetrie war Hochwürdens Idee gewesen: Immer musste er alles zum Themenpark machen.
Adam wurde stets als leuchtendes Vorbild hingestellt. Warum konnte sich Zeb nicht benehmen wie sein Bruder? Sitz gerade, hör auf zu zappeln, iss anständig, deine Hand ist keine Gabel, wisch dir nicht mit dem T-Shirt das Gesicht ab, tu, was dein Vater sagt, sag ja, Sir und nein, Sir und so weiter. Das war Trudys beinahe flehende Rede: Sie wollte nur ihre Ruhe haben, sie hatte keine Freude an den Konsequenzen von Zebs Zurückweisungen und Übellaunigkeit – den Striemen, blauen Flecken und Narben. Sie war keine Sadistin als solche, nicht wie Hochwürden. Und
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