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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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»Kommt auf sein …« Sie will den Begriff Immunsystem nicht aussprechen, denn es wird den Crakern nicht entgehen. ( Was ist ein Immunsystem? Das ist etwas, das hat man im Körper, es hilft einem und macht einen stark. Wo finden wir ein Immunsystem? Ist es von Crake, wird er uns auch ein Immunsystem schicken?, und so weiter.) »Kommt drauf an, was er träumt.« Kein Kommentar vonseiten der Craker: so weit, so gut. »Aber ich bin mir sicher, dass er bald aufwacht.«
    »Er muss essen«, sagt Lotis Blue. »Er ist total dünn! Er kann doch nicht von nichts leben.«
    »Man kann eine ganze Zeit ohne Nahrung auskommen«, sagt Ren. »Die Gärtner haben ja oft gefastet. Kann man tagelang machen. Sogar wochenlang.« Sie beugt sich vor und streicht Jimmy die Haare aus der Stirn. »Ich wünschte, wir könnten ihm mal die Haare waschen«, sagt sie. »Die sind schon ganz fettig.«
    »Ich glaube, er hat gerade was gesagt«, sagt Lotis Blue.
    »Nur was gemurmelt. Wir könnten ihn baden«, sagt Ren. »Mit dem Schwamm.« Sie beugt sich näher zu ihm. »Er sieht ein bisschen verschrumpelt aus. Armer Jimmy. Hoffentlich stirbt er nicht.«
    »Ich sorge schon dafür, dass er nicht dehydriert«, sagt Toby. »Und ich flöße ihm Honig ein.« Was soll dieser Oberschwester-Ton? »Wir waschen ihn ja«, sagt sie defensiv. »Wir waschen ihn jeden Tag.«
    »Na ja, jedenfalls ist er nicht mehr so fiebrig«, sagt Lotis Blue. »Er kühlt langsam runter. Meint ihr nicht auch?«
    Ren fühlt Jimmys Stirn. »Ich weiß nicht«, sagt sie. »Jimmy, kannst du mich hören?« Alle sehen ihn an: Jimmy zuckt kein einziges Mal. »Ich würde sagen, er fühlt sich warm an. Amanda. Was meinst du?« Sie versucht sie miteinzubeziehen, denkt Toby. Ihr Interesse zu wecken. Ren war immer ein herzensgutes Kind.
    Wenn sie blau ist, diese, die Lotis heißt, sollen wir uns mit ihr paaren? Nein, sollen wir nicht. Ihr sollt nicht für sie singen, ihr sollt keine Blumen für sie pflücken, ihr sollt nicht mit eurem Penis wedeln. Diese Frau schreien vor Angst, sie wählen uns nicht, selbst wenn wir ihnen eine Blume schenken, sie mögen keine wedelnden Penisse. Wir machen sie nicht glücklich, wir wissen nicht, warum sie schreien. Aber sie schreien nicht immer vor Angst, manchmal …
    »Ich muss mich hinlegen«, sagt Amanda. Sie steht auf und geht leicht schwankend auf das Lehmhaus zu.
    »Ich mach mir echt Sorgen um sie«, sagt Ren. »Heute Morgen hat sie sich übergeben und beim Frühstück hat sie nichts runtergekriegt. Das ist extreme Brache.«
    »Vielleicht hat sie ne Grippe«, sagt Lotis Blue. »Oder sie hat was Falsches gegessen. Wir müssen irgendwie sehen, dass wir gründlicher das Geschirr abwaschen. Ich glaub nämlich, das Wasser ist nicht …«
    »Guck mal«, sagt Ren. »Er hat gezwinkert.«
    »Er hört euch«, sagt die Elfenbeinfrau. »Er hört deine Stimme, und jetzt läuft er. Er ist glücklich, er will bei dir sein. Schau, er lächelt.«
    »Bei mir?«, fragt Ren. »Echt?«
    »Ja, schau, er lächelt.« Tatsächlich ist da ein Lächeln oder die Spur eines Lächelns, denkt Toby. Wobei, es könnten auch Blähungen sein, denkt Toby, wie bei einem Baby.
    Die Elfenbeinfrau wedelt einen Moskito weg, der sich auf Jimmys Mund niedergelassen hat. »Er wird bald aufwachen«, sagt sie.

ZEB IM DUNKELN

Zeb im Dunkeln
    Es ist Abend. Toby hat sich vor ihrer Märchensitzung mit den Crakern gedrückt. Diese Geschichten verlangen ihr eine Menge ab. Nicht nur, dass sie die alberne rote Mütze aufsetzen und den rituellen Fisch essen muss, der nicht immer das ist, was man wirklich durch nennen würde, nein, es gibt so viel, was sie erfinden muss. Sie lügt nicht gern, nicht bewusst, es sind ja auch keine Lügen in dem Sinne; aber sie bewegt sich entlang der dunkleren und verschwommeneren Ränder der Realität. Als wollte man verhindern, dass eine Scheibe Toastbrot beim Toasten verbrennt.
    »Morgen komme ich wieder vorbei«, sagte sie zu ihnen. »Heute Abend muss ich etwas Wichtiges für Zeb machen.«
    »Was musst du denn Wichtiges machen, o Toby? Wir wären gern deine Helfer.« Zumindest haben sie nicht gefragt, was das Wort wichtig bedeutet. Offenbar haben sie sich irgendetwas zusammengereimt, das zwischen gefährlich und köstlich angesiedelt ist.
    »Danke«, sagt sie. »Aber es ist etwas, das kann nur ich machen.«
    »Geht es um die bösen Männer?«, fragte der kleine Blackbeard.
    »Nein«, sagt Toby. »Wir haben die bösen Männer seit vielen Tagen nicht gesehen. Vielleicht

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