Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
Vom Netzwerk:
Brustwarzenverbrennung. Außerdem war er ein großer Fan von historischen Henker-Reenactment-Seiten, die wohl der Requisiten und Kostüme wegen relativ kostspielig waren – »Maria Stuart: Roter Schopf, jetzt rollt dein Kopf!«; »Anne Boleyn: Ein königliches Luder, erst macht sie’s mit dem Bruder, danach macht sie’s mit dir, dann Messer rein und ab dafür!«; »Katherine Howard: Pack dein Schwert und mach ihn kalt, den kalten Fisch!«; »Lady Jane Grey: Diese elitäre Jungfer wird für ihren Hochmut zahlen: Augenbinde optional«. Hierbei kam man eigenhändig in den Genuss des Gefühls, einer Frau mit einem Beil den Kopf abzuschlagen (»Spielend lernen! Historisch wertvoll!«).
    Wer noch was drauflegte, konnte sie ohne Kleider enthaupten, was aufregender war. Zeb probierte es selbst ein paarmal aus – mit freundlicher Genehmigung der Geldkonten Hochwürdens, die er entsprechend schröpfte –, er konnte also durchaus mitreden bei der Mit-oder-ohne-Klamotten-Frage. Eine nackte Frau auf Knien, die drauf und dran ist, den Kopf zu verlieren – was war daran so spannend? War er so kaltblütig oder war er ein Psychopath? Nein, den Psychopathen fehlte ein Chip im Hirn, meinte Adam, der über solche Themen gut informiert war. Psychopathen könnten kein Mitgefühl empfinden; Schreie und Heulen stellten für ihre Begriffe nur Störgeräusche dar. Sie könnten sich bei ihren Taten also nicht scheiße fühlen und/oder wie ein Perverser; anders als Zeb.
    Er spielte mit dem Gedanken, sich einzuhacken und die Seite neu zu programmieren, so dass man das Gefühl der niedergehenden Axt nicht in den Händen, sondern im eigenen Nacken spürte. Was war das wohl für ein Gefühl, geköpft zu werden? Würde es weh tun, oder würde der Schock jedweden Schmerz ausblenden? Oder würde man einen Rausch des Mitgefühls erleben? Zu viel Mitgefühl konnte jedoch gefährlich sein. Es könnte einem das Herz stehenbleiben.
    Waren diese nackten, knienden und in Kürze kopflosen Frauen real oder nicht? Er vermutete nein, denn die Online-Realität war anders als die Alltagsrealität, wo man tatsächlich körperliche Schmerzen empfand. Und eigentlich hätte man direkt am Bildschirm keine echten Frauen ermorden dürfen; das wäre doch sicherlich illegal. Die Effekte aber waren so großartig und 3-D, dass man sich instinktiv wegduckte vor dem Blutschwall.
    Als Adam davon erfuhr, konnte er den Reiz nicht nachvollziehen, und er erfuhr nur deshalb davon, weil Zeb dem Drang nicht widerstehen konnte, seinen Bruder am Doppelleben Hochwürdens teilhaben zu lassen; das ja nun zu einem gewissen Grad auch sein eigenes Leben war.
    »Der Mann ist verderbt«, lautete Adams Kommentar.
    »Richtig! Was denn sonst! Bist du schwul oder was?«, fragte Zeb, doch Adam lächelte nur.
    Die abartigen Frustbedürfnisse Hochwürdens hatten anscheinend ein Ventil gebraucht: Zeb als Sado-Objekt wäre zu riskant gewesen, groß und unwirsch, wie er mittlerweile war. Er hätte ja zurückschlagen können, und Hochwürden war im Grunde seines Herzens ein Hasenfuß, insofern gehörten das Schlagen, Pissetrinken und Einsperren der Vergangenheit an. Auch Trudy stellte für die kranke Drecksau keine Option dar, denn trotz eiserner Treue zu ihrem Mahlzeitenversorger hätte sie Lederbustiers, gepiercte Brustwarzen, Flagellation oder Exkrementeverzehr strikt abgelehnt. Wissen ist Macht, also war Zeb mehr als dankbar für die haptischen Feedback-Seiten und notierte sich haargenau, wie oft Hochwürden dort gastierte, und mit großer Sorgfalt verstaute er diesen Nikolaussack voller roter Samtinformationen für künftigen Gebrauch an einem sicheren Ort. Wobei es nicht unwahrscheinlich war, dass sich Hochwürden von ganz allein in den schwanzgesteuerten Elektrotod beförderte – dass er platzte wie ein Brühwürstchen –, und bei diesem hochkomischen Fiasko hätte Zeb nur allzu gern durchs Schlüsselloch gelinst. Kurz überlegte er, mit dieser Zielrichtung die haptischen Terminals neu zu verdrahten, aber er war sich nicht sicher, welche Voltzahl dazu erforderlich war. Ein Hochwürden mit Verbrennungen zweiten Grades anstatt unbestreitbar hinüber könnte Ärger bedeuten: Er würde draufkommen, wer’s war, aber todsicher.
    Inzwischen verfügte Zeb über magische Finger: Er konnte Verschlüsselungen tippen wie Mozart Klavier spielen, er konnte in Keilschrift trällern und leichtfüßig durch Firewalls tänzeln, wie seinerzeit ein Tiger durch einen brennenden Reifen sprang, ohne sich

Weitere Kostenlose Bücher