Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
überzeugen, er sei unschuldig wie ein ungelegtes Ei –, während Zeb die Instinkte eines Straßendiebs hatte. Die im Schrank abgesessenen Stunden hatten auch ihre Vorteile, Haarnadeln waren nützliche Gegenstände und es dauerte nicht lange, da verfügte er nach Belieben über das Haus, kramte sich durch die Schreibtischschubladen und E-Mails seiner Eltern, während sie ihn zwischen Wintermänteln und ausgedienten Elektroartikeln wähnten. Schlösserknacken wurde zu seinem Hobby, und schon bald, nach verstohlenen Sitzungen an Schulcomputern und in der Bibliothek, wurde ihm das Hacken zur Berufung. In seiner Phantasiewelt konnte ihn keine Codierung der Welt abhalten, keine Tür aussperren, und je älter und geübter er wurde, desto mehr verschmolz die Phantasie mit der Realität.
Anfangs hielt er sich an die – von der Kirche selbstverständlich verbotenen – Pornoseiten und Raubkopien von Acid Rock und Freakshow-Musik. Die Kirche sprach sich für zugeknöpfte Blusen und öffentliche Keuschheitsgelübde aus, und die Musik war so grottenschlecht wie tausend Olme aus den schwärzesten Löchern des Weltalls. Also raubte Zeb per Kopfhörer die Luminescent Corpses, die Pancreatic Cancers oder Bipolar Albino Hookworms, während er auf der Suche nach immer neuen und geschickt entfalteten Mädchenkörperteilen durchs Netz streunte. Was kaum ins Gewicht fiel: Die Videos waren schließlich schon gedreht, also war das, was er unternahm, nur eine Art Zeitreise. Er verursachte ja in dem Sinne nichts.
Als er dann das Gefühl hatte, er sei so weit, beschloss er, noch einen draufzusetzen und wirklich seine Fähigkeiten zu testen.
Die Church of PetrOleum war total Hightech und verfügte über ein Dutzend verfeinerter Social-Media- und Spenden-Sites, die sieben Tage die Woche rund um die Uhr die Gläubigen ausbeuteten. Die Sicherheit dieser Websites war vermeintlich so hoch wie nur irgend möglich, mit zwei Schichten engmaschiger Verschlüsselungen, durch die sich jeder potenzielle Kleptomane erstmal durchfräsen musste, bevor er sich mit den Konten davonmachen konnte. Und tatsächlich gelang es dem System, die Kleptomanen fernzuhalten; aber es war machtlos gegen eine Insider-Nummer, wie sie Zeb im zarten Alter von sechzehn auf so spektakuläre Weise hinlegte.
Hochwürdens Schwachstelle war der Glaube an seine eigene Unverwundbarkeit, also war er nachlässig; und da er sich Zahlen-Buchstaben-Kombinationen nicht merken konnte, notierte er sich seine Passwörter. Dann versteckte er sie an Stellen, die dem Osterhasen nicht mal ein müdes Lächeln entlockt hätten. Die Schachtel mit den Manschettenknöpfen? Vorn in den Sonntagsschuhen? Retro-Schwachkopf, sagte Zeb seufzend, fischte die hauchdünnen Zettelchen hervor, lernte das kryptische Gekritzel darauf auswendig, ehe er das Kästchen oder den Schuh exakt an dieselbe Stelle zurückschob.
Nachdem er den goldenen Schlüssel besaß, lenkte Zeb den Spendenfluss – nicht alles, nur 0,9 Prozent, Fehlerquote, er war ja nicht völlig doof – auf mehrere eigens eingerichtete Konten, wobei er darauf achtete, dass den Spendern das standardmäßige Dankesgeschleime und die schuldgefühlgenerierenden Durchhaltebotschaften zukamen, zuzüglich einiger Hass-Slogans gegen alle Feinde von Gottes heiligem Öl: »Solarzellen sind des Satans«; »Bio ist Bullshit«; »Der Teufel will, dass ihr im Finstern frieret«; »Nur Serienmörder glauben an die Erderwärmung!«.
Für seine diversen Geldbunker verwendete er eine zusammengestückelte Identität, die er sich bei seinen heimlichen Angriffen auf lecke Ziele angeeignet hatte, 3-D-Avatar-Spiele, AdopTierFisch und derlei öko-triefende Wohltätigkeitsseiten sowie die virtuellen ECHTFÜHL -Pornoinstallationen in den Vorstadt-Shoppingzentren. (»Haptisches Feedback für Haut-an-Haut-Gefühl! Nie wieder synthetische Schreie und künstliches Stöhnen! Echtes Fühlen! Warnung: Gerät darf nicht mit Schleimhäuten in Berührung kommen. Terminals dürfen nicht in den Mund oder andere Körperöffnungen eingeführt werden. Verätzungsgefahr!«)
Wenig überraschend kam Zeb bei einem seiner Streifzüge dahinter, dass Hochwürden höchstpersönlich diese haptischen Wichsseiten frequentierte, wenn auch von zu Hause aus – im Einkaufszentrum gesehen zu werden wäre nicht gut fürs Image gewesen –, wobei er die Feedback-Terminals in seiner Golftasche versteckte. Er bevorzugte die Seiten mit Peitschen, Penetration mit Flaschen und
Weitere Kostenlose Bücher