Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
sieht sich um. Hinten drängen sich die Mo’Hairschafe und warten darauf, von Crozier hinausgelassen und mitgenommen zu werden, um am Wegesrand das Unkraut zu fressen. Da kommt er auch schon, in seinem biblischen Lakenlook, mit einem langen Stab in der Hand.
Drüben bei der Schaukel wird Jimmy von Ren und Lotis Blue gestützt, sie laufen hin und her und bilden dabei ein linkisches sechsbeiniges Ensemble. Seine Muskulatur ist noch schwach, aber er wird schnell zu Kräften kommen: Er ist zwar lädiert, aber immer noch jung. Auch Amanda ist dabei, sie sitzt auf einer der Schaukeln; und mehrere Craker, die auf den allgegenwärtigen Kudzuranken herumknabbern und zuschauen, verwirrt, aber nicht ängstlich.
Aus der Ferne hat das Ganze etwas von einem ländlichen Idyll, aber es gibt auch Misstöne: Das verschollene oder entkommene Mo’Hairschaf ist noch immer verschollen oder entkommen, Amanda ist apathisch und starrt zu Boden, und an Croziers angespannter, abgewandter Körperhaltung lässt sich ablesen, dass er es gar nicht gut findet, wie Ren sich um Jimmy kümmert. Toby selbst ist ein Misston, auch wenn sie von außen vermutlich ruhig erscheint. Das ist der beste Anschein, den man erwecken kann, und dank langjähriger Übung bei den Gärtnern weiß sie, wie man eine neutrale Miene, ein sanftes Lächeln behält.
Aber wo steckt Zeb? Warum ist er noch nicht zurück? Hat er Adam Eins gefunden? Wenn Adam verletzt ist, wird man ihn tragen müssen. Das würde sie ausbremsen. Was passiert da drüben in der zerstörten Stadt, wohin sie nicht blicken kann? Würden doch nur die Handys noch funktionieren. Aber die Sendemasten sind alle eingestürzt; selbst wenn es noch eine Stromquelle gäbe, wüsste hier niemand, wie man sie repariert. Es gibt ein Kurbelradio, aber auch das hat den Geist aufgegeben.
Wir müssen wieder Rauchzeichen lernen, denkt sie. Ein Mal für »er liebt mich«, zwei Mal für »er liebt mich nicht«. Drei Mal für »ich koche vor Wut«.
Unter der Annahme, dass es die Nerven beruhigt, verbringt sie den Tag mit Gartenarbeit. Hätte sie doch nur ein paar Bienenstöcke zu versorgen. Sie könnte den Bienen jeden Tag erzählen, was es Neues gibt, wie damals bei den Gärtnern auf dem Dachgarten Eden, zusammen mit der alten Pilar. Sie könnte die Bienen um Rat bitten. Sie könnte sie bitten, hinauszufliegen und die Gegend zu erkunden und dann zurückzukommen und Bericht zu erstatten wie Cyberbienen.
Heute ehren wir Sankt Jan Swammerdam, der als Erster entdeckt hat, dass die Bienenkönigin kein König ist und dass alle Arbeiterinnen eines Bienenstocks Schwestern sind; und Sankt Zosima, die östliche Schutzheilige der Bienen, die ein selbstloses, klösterliches Leben in der Wüste führte, ähnlich wie wir es auf unsere Art tun; und Sankt C . R. Ribbands, für seine detaillierten Beobachtungen der Kommunikationsstrategien der Bienen. Und wir wollen dem Schöpfer für die Bienen selbst danken, für ihre Gaben, den Honig und die Pollen, für ihre unbezahlbare Arbeit beim Befruchten unserer Obst-, Nuss- und Gemüsepflanzen, ja, und für den Trost, den sie uns in anstrengenden Zeiten spenden, das Murmeln ungezählter Bienen, um mit Tennyson zu sprechen …
Pilar hatte ihr beigebracht, sich etwas Gelée Royale auf die Haut aufzutragen, damit die Bienen sie nicht als Bedrohung wahrnehmen würden. Sie würden auf ihren Armen und auf ihrem Gesicht herumlaufen, die winzigen Beinchen zart wie Wimpern, leicht wie eine Wolke am Himmel. Die Bienen sind Kuriere, sagte Pilar damals immer. Sie tragen die Botschaften zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt hin und her. Wenn ein geliebter Mensch über die Schwelle ins Schattenreich getreten ist, werden es die Bienen einem sagen.
Heute sind plötzlich Dutzende von Honigbienen im Garten, geschäftig schwirren sie zwischen den blühenden Bohnen umher. Irgendwo in der Nähe muss ein wilder Stock sein. Eine Biene setzt sich auf ihre Hand, kostet von ihrer salzigen Haut. Ist Zeb tot?, fragt sie die Biene im Stillen. Sag es mir jetzt. Aber sie hebt wieder ab, ohne ihr etwas mitzuteilen.
Hat sie das alles geglaubt damals? Pilars Folklore? Nein, eigentlich nicht; nicht so richtig. Vermutlich hat Pilar selbst nicht alles richtig geglaubt, aber es war ein schöner Trost: dass die Toten nicht wirklich tot seien, sondern lebten, nur eben anders; zugegeben auf blassere Art und an einem dunkleren Ort. Aber sie waren noch immer imstande, Botschaften auszusenden, nur mussten diese
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