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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Worte Crakes bringen!«
    Toby bahnt sich einen Weg zur Hängematte. Zwei der Crakerfrauen setzen Jimmy auf. Seine Augen sind geöffnet; er wirkt benommen.
    »Begrüße ihn, o Toby«, sagt der hochgewachsene Mann namens Abraham Lincoln. Alle schauen zu, alle horchen aufmerksam. »Er ist bei Crake gewesen. Er wird uns Worte bringen. Er wird uns eine Geschichte bringen.«
    »Jimmy«, sagt sie. »Schneemensch.« Sie legt ihm die Hand auf den Unterarm. »Ich bin’s, Toby. Ich war auch am Lagerfeuer, unten am Strand. Erinnerst du dich? Mit Amanda und den zwei Männern.«
    Jimmy sieht zu ihr hoch. Seine Augen sind verblüffend klar, das Weiße ist weiß, die Pupillen sind leicht geweitet. Er blinzelt. Er erkennt sie nicht. »Mist«, sagt er.
    »Was ist das für ein Wort, o Toby?«, fragt Abraham Lincoln. »Ist das ein Wort des Crake?«
    »Er ist müde«, sagt Toby. »Nein. Dieses Wort nicht.«
    »Scheiße«, sagt Jimmy. »Wo ist Oryx. Sie war hier. Sie war im Feuer.«
    »Du warst krank«, sagt Toby.
    »Hab ich jemanden umgebracht? Einen dieser … ich glaube, ich hatte einen Albtraum.«
    »Nein«, sagt sie. »Du hast niemanden umgebracht.«
    »Ich glaub, ich hab Crake umgebracht«, sagt er. »Er hatte Oryx in seiner Gewalt, er hat ihr das Messer … o Gott. Die rosa Schmetterlinge waren voller Blut. Und dann hab ich. Hab ich ihn erschossen.«
    Toby ist alarmiert. Was meint er damit? Wichtiger noch, was werden die Craker von so einer Geschichte halten? Nichts, hofft sie. Sie wird in ihren Ohren keinen Sinn ergeben, es wird sich wie wirres Zeug anhören, denn Crake lebt ja im Himmel und kann unmöglich tot sein. »Du hast schlecht geträumt«, sagt sie sanft.
    »Nein. Hab ich nicht. Nicht, was das anbelangt. Oh, fuck.« Jimmy legt sich zurück, schließt die Augen. »Oh, fuck.«
    »Wer ist Fuck ?«, fragt Abraham Lincoln. »Warum spricht er mit einem Fuck? So heißt niemand hier.«
    Toby braucht einen Moment, um dahinterzukommen, was er meint. Sie halten es für eine Anrede wie »o Toby«. Wie soll sie ihnen »oh, fuck« erklären? Sie würden niemals glauben, dass das Wort für Beischlaf etwas Negatives bedeuten könnte: dass es ein Ausdruck für Abscheu ist, eine Beleidigung, ein Scheitern suggeriert. Für sie scheint der Akt nur mit Freude in Verbindung zu stehen.
    »Ihr könnt ihn nicht sehen«, sagt Toby leicht verzweifelt. »Nur Jimmy, also, Schneemensch-Jimmy kann ihn sehen. Er ist –«
    »Fuck ist ein Freund des Crake?«, fragt Abraham Lincoln.
    »Ja«, sagt Toby. »Und ein Freund des Schneemensch-Jimmy.«
    »Und dieser Fuck hilft ihm?«, fragt eine der Frauen.
    »Ja«, sagt Toby. »Wenn etwas schiefgeht, ruft Jimmy ihn um Hilfe an.« Was ja nicht mal völlig gelogen ist.
    »Fuck ist im Himmel!«, sagt Blackbeard triumphierend. »Zusammen mit Crake!«
    »Wir möchten die Geschichte des Fuck hören«, sagt Abraham Lincoln höflich. »Und wie er Schneemensch-Jimmy half.«
    Jimmy schlägt wieder die Augen auf und blinzelt. Jetzt betrachtet er die Decke, unter der er liegt, mit ihren Kinder-Motiven. Er streicht über die Katze und die Geige, den lächelnden Mond. »Was ist denn das hier Beknacktes? Ist das ne Kuh? Hirnspaghetti.« Er hält sich die Hand vors Gesicht, um seine Augen vor der Helligkeit zu schützen.
    »Er möchte, dass ihr ihm ein bisschen Platz macht«, sagt Toby. Sie beugt sich vor und hofft, dass die anderen nichts mitbekommen von dem, was Jimmy als Nächstes sagt.
    »Ich hab’s verkackt, oder?«, fragt er. Zum Glück spricht er fast im Flüsterton. »Wo ist Oryx? Eben war sie noch hier.«
    »Du musst schlafen«, sagt Toby.
    »Diese verfickten Organschweine hätten mich fast gefressen.«
    »Du bist jetzt in Sicherheit«, sagt Toby. Halluzinationen sind nichts Ungewöhnliches, wenn man aus dem Koma erwacht. Aber wie macht man den Crakern klar, was Halluzinationen sind? Das ist, wenn man etwas sieht, was nicht da ist. Aber wenn es nicht da ist, o Toby, wie kann man es dann sehen?
    »Wer hat dich fast gefressen?«, fragt sie geduldig.
    »Die Organschweine«, sagt Jimmy. »Diese Riesenschweine. Glaub ich zumindest. Alles Spaghetti. In meinem Kopf. Wer waren diese Typen? Die, die ich nicht abgeknallt habe.«
    »Mach dir mal keine Sorgen jetzt«, sagt Toby. »Hast du Hunger?« Erstmal kleine Mengen, das ist nach längerem Fasten das Beste. Hätten sie doch nur ein paar Bananen.
    »Crake, dieser Wichser. Ich hab mich total verarschen lassen. Ich hab’s total verkackt. Scheiße.«
    »Es ist alles gut«,

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