Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
fragt nicht nach.
Zu Mittag gibt es Suppe mit irgendeiner Fleischeinlage – geräuchertem Hund? – und Kudzu mit Knoblauch. Polybeeren, die etwas reifer sein könnten. Gemischten Salat. »Wir müssen unbedingt Essig organisieren«, sagt Rebecca. »Dann kann ich auch mal ein anständiges Dressing machen.«
»Erstmal müssten wir den Wein herstellen«, sagt Zunzuncito.
»Bin ich absolut dafür«, sagt Rebecca. Sie hat ein paar würzige Rucolasamen in den Salat gegeben. Sie plant eine Saline unten am Strand – eine Pfanne zum Verdunsten, und dann werden sie auch Salz haben. Sobald sie freie Bahn hat, sagt sie; sobald die Sache mit den Painballern über die Bühne ist.
Nach dem Mittagessen sind alle im Haus. Die Sonne steht hoch und knallt auf die Erde, noch brauen sich keine Gewitterwolken zusammen. Die Luft ist klebrig und feucht.
Toby bleibt in ihrer Nische und versucht ein Nickerchen zu halten, stattdessen schmollt sie. Hör auf damit, sagt sie zu sich: Hör auf, dir die Wunden zu lecken. Sie weiß ja nicht mal genau, ob es überhaupt Wunden gibt. Und dennoch fühlt sie sich verwundet.
Spätnachmittag, nach dem Regen. Es ist niemand da, außer Crozier und Manatee, die Wache schieben. Toby kniet mal wieder im Garten und vernichtet Nacktschnecken. Früher hätte sie dabei ein schlechtes Gewissen gehabt – Denn sind nicht auch Schnecken Geschöpfe Gottes , würde Adam sagen, und haben sie nicht ebenso das Recht, zu leben, solange sie es woanders tun, an einem zuträglicheren Ort als unserem Dachgarten Eden? Aber jetzt verschafft ihr das Töten ein Ventil. Ein Ventil wofür? Darüber will sie gar nicht genauer nachdenken.
Schlimmer noch, sie ertappt sich dabei, wie sie vor sich hin schimpft: Stirb, du gemeine Nacktschnecke! Jede Schnecke, die sie findet, lässt sie in eine Blechdose mit Holzasche und Wasser fallen. Früher wurde Salz verwendet, aber davon haben sie nicht genug. Die Schnecken rasch unter einem flachen Stein zu zerquetschen wäre womöglich humaner – bestimmt müssen sie in der Holzasche leiden –, aber sie ist gerade nicht in der Verfassung, Hinrichtungsmethoden gegeneinander abzuwägen.
Sie zerrt etwas Unkraut aus dem Boden. Wie leichtfertig wir Gottes heilige Unkräuter benennen und abtun! Doch Unkraut ist für uns einfach nur der Name einer Pflanze, die uns ärgert, indem sie unsere Pläne durchkreuzt. Denkt daran, wie nützlich einige sind, und ja, auch wie essbar und wohlschmeckend!
Genau. Aber nicht dieses hier. Sieht nach Beifuß aus. Sie wirft es auf den Haufen mit den anderen ausgerupften Pflanzen.
»Na, du Henker«, sagt eine Stimme. Es ist Zeb, er steht da und grinst zu ihr hinunter.
Toby richtet sich hastig auf. Ihre Hände sind schmutzig; sie weiß nichts mit ihnen anzufangen. Hat er bis gerade geschlafen? Sie kann ihn nicht fragen, was mit Swift-Fuchs war, wenn überhaupt etwas war; sie weigert sich, den Hausdrachen zu spielen.
»Ich bin froh, dass du heil zurück bist«, sagt sie. Und sie ist wirklich froh, froher, als sie in Worte fassen kann, aber sogar in ihren eigenen Ohren klingt ihre Stimme gekünstelt.
»Ich auch«, sagt er. »Der Ausflug hatte es in sich. Ich war fix und fertig, hab geschlafen wie n Stein, ich werd wohl langsam alt.«
Will er ihr irgendwas verheimlichen? Wie misstrauisch kann man eigentlich sein? »Du hast mir gefehlt«, sagt sie. So. War das so schwer?
Er grinst noch mehr. »Hab ich mir fast gedacht«, sagt er. »Ich hab dir auch was mitgebracht.« Es ist ein kleiner runder Schminkspiegel zum Aufklappen.
»Danke«, sagt sie. Sie bringt ein Lächeln zustande. Hat er ein schlechtes Gewissen, soll das eine Entschuldigung sein? Der Rosenstrauß für die Ehefrau, nachdem der Mann sich heimlich mit der Kollegin vergnügt hat? Aber sie ist nicht seine Ehefrau.
»Ich hab dir auch Papier mitgebracht. Ein paar Schulhefte, die gab’s noch in der Drogerie, ich schätze, für die Plebskinder, wo kein Geld da war für ein Tablet. Ein paar Kugelschreiber, Bleistifte. Filzstifte.«
»Woher wusstest du, dass ich sowas brauche?«, fragt sie.
»Ich hab mal mit nem Gedankenleser gearbeitet, vor langer, langer Zeit«, sagt er. »Schreibschrift ist ne Gärtnerkunst, oder? Ich hab mir gedacht, du würdest festhalten wollen, was so passiert. He, wie wär’s, wenn du mich mal in den Arm nimmst?«
»Du wirst dreckig werden«, sagt sie, gibt nach und lächelt.
»Bin schon mal dreckiger gewesen.«
Wie kann sie ihn nicht in den Arm nehmen, Schneckenfinger
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