Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
Botschaften erkannt und entziffert werden. Die Menschen brauchen solche Geschichten, hatte Pilar einmal gesagt, denn egal, wie dunkel es irgendwo ist, eine Dunkelheit voller Stimmen ist besser als Stille und Leere.
Am späten Nachmittag, als der Donner vorbei ist, kehrt das Sammlerteam zurück. Toby sieht, wie sie die Straße hinunterkommen, wie sie zwischen den verlassenen Lkws und Solarautos hergehen, von hinten angestrahlt von der untergehenden Sonne, und sie zählt ihre Silhouetten, noch bevor sie sie identifizieren kann. Ja, sie sind zu viert.
Als sie auf den Zaun zukommen, laufen ihnen Ren und Lotis Blue entgegen, gefolgt von einer Bande Crakerkinder. Auch Amanda rennt, wenn auch nicht so schnell wie die anderen. Toby geht.
»Wir haben vielleicht was erlebt!«, sagte Swift-Fuchs gerade, als sie hinzukommt. »Aber zumindest haben wir ne Drogerie gefunden.« Sie ist gerötet, leicht verschwitzt; schmutzig, triumphierend. Sie stellt ihren Rucksack ab und öffnet ihn. »Passt mal auf, was ich hier habe!«
Zeb und Nashorn wirken erschöpft, Katuro etwas weniger.
»Was war denn los?«, fragt Toby Zeb. Sie sagt nicht: »Ich war krank vor Sorge.« Das weiß er hoffentlich auch so.
»Ist ne lange Geschichte«, sagt Zeb. »Erzähl ich dir später. Ich muss erstmal duschen. War irgendwas?«
»Jimmy ist aufgewacht«, sagt sie. »Ist noch ziemlich schwach. Und sehr dünn.«
»Gut«, sagt Zeb. »Dann wollen wir ihn ordentlich mästen und wieder auf die Beine stellen. Wir können hier jede Hilfe gebrauchen.« Dann geht er an ihr vorbei und verschwindet hinterm Lehmhaus.
Toby spürt einen Funken Zorn, der durch ihren Körper wandert. Bleibt fast zwei Tage weg, und mehr hat er dazu nicht zu sagen? Sie ist nicht seine Ehefrau, sie hat nicht das Recht zu schimpfen, aber sie kann sich gegen die Bilder nicht wehren: wie sich Zeb und Swift-Fuchs in den Gängen des leeren Drogeriemarkts auf dem Boden wälzen, wie er ihr zwischen Conditioner und Tönung, über dreißig aufregende Farbtöne, den Tarnanzug vom Leib reißt; oder ein paar Gänge weiter, bei den Kondomen und dem Gleitgel? Vielleicht haben sie’s auch zwischen den Kassen getrieben oder sind drüben bei den Babyprodukten inmitten von feuchten Tüchern in Ekstase geraten. So oder ähnlich war’s. Es muss einfach so gewesen sein, denn warum sonst tat Swift-Fuchs so überheblich?
»Nagellack! Schmerztabletten! Zahnbürsten! Hier, Pinzetten!«, sagt sie gerade.
»Du hast ja den ganzen Laden leergeräumt«, sagt Lotis Blue.
»So viel war da nicht mehr«, sagt Swift-Fuchs. »Der war schon geplündert worden, aber anscheinend waren die Leute hauptsächlich an den Pharmazeutika interessiert. Oxy, OrgassPluss-Pillen, alles mit Codein drin.«
»Mit den Haarprodukten konnten sie nichts anfangen?«, fragt Lotis Blue.
»Nee. Und mit dem Mädchenkram auch nicht – war alles noch da.« Sie fängt an, Binden, Tampons und Slipeinlagen auszupacken. »Die Jungs haben noch mehr in ihren Rucksäcken. Die haben sogar Bier aufgetrieben. Was echt ein kleines Wunder ist.«
»Warum habt ihr so lange gebraucht?«, fragt Toby. Swift-Fuchs lächelt sie an, aber es ist kein abfälliges Lächeln. Sie ist viel zu freundlich, viel zu arglos, wie ein Teenager, der zu spät nach Hause gekommen ist.
»Wir saßen ein bisschen in der Falle«, sagt sie. »Wir haben eine Weile rumgesucht und Zeug gesammelt, aber dann am Nachmittag, kurz bevor wir loswollten, tauchte eine Herde Riesenschweine auf – die, die damals versucht haben, unseren Gemüsegarten zu plündern, von denen wir ein paar abgeschossen haben.
Erst sind sie irgendwie hinter uns hergestromert, aber dann, als wir in der Drogerie fertig waren und gerade rauskamen, sahen wir, dass sie uns den Weg abgeschnitten hatten. Also wir wieder rein in die Drogerie, aber die Ladenfenster waren eingeschlagen, die hätten einfach reinspazieren können. Durch eine kleine Luke im Lagerraum haben wir’s dann aufs Dach geschafft. Die können ja nicht klettern.«
»Hatten sie Hunger?«, fragt Ren.
»Wer kann das schon sagen bei nem Schwein«, sagt Swift-Fuchs.
Schweine sind Allesfresser, denkt Toby. Aber ob hungrig oder nicht, sie würden uns auch aus Boshaftigkeit töten. Oder aus Rache. Schließlich essen wir sie schon seit geraumer Zeit.
»Und dann?«, fragt Ren.
»Und dann sind wir ne Weile auf dem Dach geblieben«, sagt Swift-Fuchs, »und dann kamen die Schweine aus der Drogerie raus und sahen, dass wir auf dem Dach waren. Die hatten
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