Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
Straße war. Zeb geht voran, dann kommt Nashorn, dann Swift-Fuchs, und Katuro bildet die Nachhut. Langsam und bedächtig klettern sie zwischen dem Geröll hindurch. Sie werden auf Hinterhalte gefasst sein, keine Risiken eingehen. Am liebsten wäre Toby ihnen nachgerannt, wie ein Kind – Wartet! Wartet! Ich will mit! Ich hab ein Flinte! –, aber das hätte wenig gebracht.
Zeb hatte nicht gefragt, ob er ihr etwas bringen soll. Wenn ja, was hätte sie gesagt? Einen Spiegel? Einen Blumenstrauß? Sie hätte wenigstens um Papier und Bleistifte bitten sollen. Aber irgendwie konnte sie nicht.
Jetzt sind sie außer Sichtweite.
Der Tag schreitet fort. Die Sonne geht auf und zieht über den Himmel, die Schatten werden flacher, Essen taucht auf und wird verzehrt, man redet; der Tisch wird abgeräumt, das Geschirr abgewaschen. Wachen lösen sich ab. Die Wand des Lehmhauses wächst ein Stück, der Zaun bekommt mehr Stacheldraht, im Garten wird Unkraut gejätet, Wäsche wird gewaschen. Die Schatten werden wieder länger, der Nachmittagshimmel zieht sich zusammen. Jimmy wird ins Haus getragen und es regnet mit imposantem Donnern. Dann klart der Himmel auf, die Vögel nehmen ihren Wettbewerb wieder auf, die Wolken färben sich im Westen rot.
Kein Zeb.
Die Mo’Hairschafe und ihre Hüter kommen wieder, Crozier, Beluga und Shackleton, und somit kehren drei hormonell aufgeladene Männer zurück und ergänzen die buntgemischte Bewohnerschaft des Lehmhaus-Lagers. Crozier hängt bei Ren ab, Shackleton rückt an Amanda heran, Zunzuncito und Beluga beäugen Lotis Blue: Liebe und Intrigen entfalten sich wie üblich unter jungen Leuten, und auch wie üblich unter den Schnecken im Salat und den glänzenden grünen Käfern, die den Grünkohl plagen. Leises Gemurmel, ein Achselzucken, ein Schritt vor, ein Schritt zurück.
Toby erledigt ihre Aufgaben mit klösterlicher Ruhe und Gewissenhaftigkeit, sie zählt die Stunden.
Noch immer kein Zeb.
Was könnte ihm zugestoßen sein? Sie verdrängt die Bilder. Oder versucht sie zu verdrängen. Ein Tier mit scharfen Zähnen und Krallen. Gemüse, ein umgestürzter Baum. Gestein, Zement, Stahl, zerbrochenes Glas. Oder ein Mensch.
Angenommen, er wäre plötzlich nicht mehr da. Eine Schlucht tut sich auf: Sie schließt sie wieder. Von ihrem persönlichen Verlust abgesehen verfügt Zeb über wertvolle Fähigkeiten und ein Wissen, das niemand ersetzen kann.
Zahlenmäßig sind sie so wenige, sie sind so sehr aufeinander angewiesen. Manchmal fühlt sich dieses Lagerleben an wie eine Art Urlaub, aber das ist es nicht. Es ist keine Flucht vor dem Alltag. Hier findet jetzt ihr Leben statt.
Sie sagt den Crakern, dass die Geschichte heute ausfallen müsse, weil Zeb die Geschichte von Zeb in ihrem Kopf gelassen habe, aber die Geschichte sei nicht ganz einfach zu verstehen und sie müsse sie erst in Ordnung bringen, bevor sie sie erzählen könne. Sie fragen, ob ein Fisch helfen würde, aber sie sagt, im Moment nicht. Dann setzt sie sich allein in den Garten.
Du hast verloren, sagt sie zu sich. Du hast Zeb verloren. Inzwischen wird Swift-Fuchs ihn vereinnahmt haben, sie wird ihn sich mit Armen und Beinen und allen zur Verfügung stehenden Körperöffnungen gekrallt haben. Er hat Toby weggeworfen wie eine leere Papiertüte. Warum auch nicht. Er hat ihr nie irgendwelche Versprechungen gemacht.
Der sanfte Wind legt sich, feuchte Hitze steigt von der Erde auf, die Schatten verschmelzen. Moskitos surren durch die Luft. Da ist der Mond, nicht mehr ganz voll. Die Stunde der Motte kehrt wieder ein.
Es nähern sich keine Lichter, keine Stimmen. Nichts und niemand.
Sie verbringt die Mitternachtswache bei Jimmy in seiner Nische und lauscht seinen Atemzügen. Es brennt eine einzelne Kerze. Die Kinderbilder auf seiner Decke wabern und schwellen an. Die Kuh grinst, der Hund lacht. Der Teller rennt mit der Schüssel davon.
Drogerieromanze
Am Morgen meidet Toby die Gruppe am Frühstückstisch. Sie hat keine Lust auf Vorträge über Epigenetik, auf neugierige Blicke oder Spekulationen darüber, wie sie mit Zebs Fahnenflucht zurechtkommt. Er hätte Swift-Fuchs ja ein entschlossenes Nein entgegensetzen können, hat er aber nicht. Die Botschaft war deutlich.
Sie geht hinüber in die Küchenbaracke, nimmt sich ein Stück kaltes Schweinefleisch und etwas Klettenwurzel, Reste vom Vortag, die unter einer umgedrehten Schüssel vor sich hin welken: Rebecca wirft nicht gern Lebensmittel weg.
Sie setzt sich an den Tisch,
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