Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
versuchte ihn zu überfallen. Kaum dass er die Tür hinter sich zugeworfen hatte, schlug er auf seinem neuesten Billig-Wegwerftelefon »Schwarzlicht-Kopflampe« nach. Schwarzlicht war eine Neuheit aus den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts, hieß es: Man konnte damit im Dunkeln sehen oder zumindest bestimmte Dinge. Augäpfel. Zähne. Weiße Laken. Im Dunkeln leuchtendes Haargel. Nebel. Was das Wort »Kopflampe« betraf, war es das, was es war. Fahrradläden führten sie und Campingausstatter. Nicht dass man heutzutage noch kampierte, außer in verlassenen Gebäuden.
Schönen Dank auch, dachte Zeb. Verdammt aufschlussreich.
Dann öffnete er Adams Einkaufstüte. Da war seine neue Haut, ordentlich zurechtgelegt. Jetzt musste er nur noch nach San Francisco gigagliedern und in sie hineinkriechen.
Hallo Darmparasit!
Adam hatte gründliche Vorarbeit geleistet. Es gab eine To-do-Liste zum Verbrennen und einen großen Umschlag mit Bargeld, denn Zeb würde Geld brauchen, um auf dem Graumarkt den Graumarktmann für falsche Papiere und Fotos zu bezahlen. Plastikkarten waren auch dabei, damit sich Zeb die Art von Garderobe anschaffen konnte, die Adam für richtig hielt. Wie die aussehen sollte, hatte er angegeben: schlabbrige, nerdige Sachen wie braune Kordhosen, neutrale T-Shirts und karierte Hemden – braun und grau –, und eine Nickelbrille mit nichtvergrößernden Gläsern. Was die Schuhe betraf, empfahl er Turnschuhe mit so vielen kreuz und quer gespannten Gummiriemen, dass Zeb wie ein schwuler Moriskentänzer oder ein Vertriebener aus einem Robin-Hood-Kostümspiel aussehen würde. Die Kopfbedeckung – ein alter Steampunk-Bowlerhut aus den 2010er Jahren: Die waren gerade wieder im Kommen. Aber woher wusste Adam sowas überhaupt? Er hatte nie Interesse an Kleidung gezeigt, wobei kein Interesse natürlich auch ein Interesse war. Offenbar hatte er auf anderer Leute Stil geachtet, um selber diesen Stil zu vermeiden.
Zebs zugewiesener Name war Seth. Darin steckte ein kleiner Bibelwitz: Seth war ›der Berufene‹, wie sie beide wussten, da ihnen die wichtigsten Figuren und Geschichten aus der Bibel per symbolischem Schraubendreher ins Gehirn gedrillt worden waren. Seth war der dritte Sohn Adams und Evas und sollte den Platz des ermordeten Abel einnehmen, der jedoch nicht richtig tot war, denn an der Stelle seines vergossenen Blutes wuchsen noch immer Disteln und Dornen. Seth sollte also den verstorbenen und für tot gehaltenen Zeb ersetzen. Mit freundlicher Genehmigung Adams. Sehr witzig.
Bevor er bei HelthWyzer anfing, sollte Zeb/Seth den neuen Chatroom ausprobieren und sich fortan ein Mal wöchentlich einloggen, um Adam ein Lebenszeichen zu senden. Am nächsten Tag also, als er auf Umwegen den Mittelsmann aufsuchte, um sich Fingerabdrücke und Iris-Scans in die gefälschten Dokumente einarbeiten zu lassen, wählte er das nächstbeste Internetcafé und folgte dem Pfad, den Adam für ihn ausgelegt hatte. Merken, dann zerstören stand auf dem Zettel, als wenn Zeb der letzte Vollidiot wäre.
Das Haupt-Gateway war ein Bio-Nerd-Spiel namens Urzeit-Exitus. Der Administrator hieß MaddAddam: Adam benannte die lebenden Tiere, MaddAddam benennt die toten. Willst du spielen? Zeb tippte den Codenamen ein, den Adam ihm gegeben hatte – Geisterbär , und das Passwort, Schnürsenkel , und schon war er mittendrin.
Es schien sich um eine Art naturkundliches Ratespiel zu handeln. Anhand von unklaren gegnerischen Hinweisen musste man die Namen diverser ausgerotteter Käfer, Fische, Pflanzen, Glattechsen und so weiter erraten. Es war eine Auflistung ausgestorbener Arten. Gähnend langweilig: Selbst das CorpSeCorps würde einschlafen bei diesem Spiel, zumal kein Mensch auch nur eine einzige Antwort wüsste. Und ehrlich gesagt ging es Zeb nicht anders, trotz seiner Zeit bei der Bärenbrücke und ihres obskuren Dünkels. Stellers Seekuh, nie gehört? Ist nicht dein Ernst! Überhebliches Grinsen.
Fünf Minuten Urzeit-Exitus würde reichen, um jeden gestandenen Corps-Mann auf der Suche nach Schnaps in die Flucht zu schlagen. Ein endlangweiliges Spiel war fast genauso wirksam wie ein leerer Blick, zumindest als Tarnung; außerdem käme niemals jemand auf die Idee, dass sich hinter einer so eindeutig öffentlichen und unbestreitbar ökolastigen Präsenz irgendetwas von Belang verbergen könnte. Stattdessen würden sie die Bimplant-Werbung und ähnliche Seiten durchforsten, wo man bequem von seinem Bürostuhl aus per Mausklick exotische
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