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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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gewonnenen Punkten konnte man Hilfsmittel für den Avatar generieren. Stiefel, in denen er schneller laufen oder höher springen konnte; blitzableitende Kleidung, Holzplanken bei Fluten und Tsunamis, nasse Taschentücher zur Bedeckung von Mund und Nase bei Buschfeuern, Kickriegel, wenn er von einer Lawine verschüttet war.
    Am häufigsten spielte Zeb Hallo Darmparasit!  – eine eklige Glibbernummer, die bei den Bio-Nerds größte Erheiterung hervorrief. Die Parasiten waren wahrhaft hässlich, hatten am ganzen Mund Widerhaken und keine Augen, und man musste sie mithilfe von Giftpillen töten oder ein ganzes Arsenal aus Nanobots und Moteinen auffahren, um zu verhindern, dass sie im Körperinnern Tausende von Eiern legten und einem aus Hirn oder Tränenkanälen rausgekrochen kamen oder sich abkapselten und regenerative Segmente bildeten und die Innenorgane in eiterndes Gammelfleisch verwandelten. Waren sie echt oder von den Bio-Nerds ausgedacht? Oder wurden sie, schlimmer noch, bereits in diesem Moment als Teil eines Biowaffenprojekts gespleißt? Wer konnte das schon wissen?
    Wer zu oft Hallo Darmparasit! spielte, werde Albträume haben, so der Spieleslogan. Zeb, der sich an gute Ratschläge aus Prinzip nicht hielt, spielte zu oft Hallo Darmparasit! und hatte Albträume.
    Was ihn nicht daran hinderte, ein Alias des Spiels zu kreieren und einen der grässlichen Münder zum Gateway umzufrickeln. Er bunkerte seinen Code in einem dreifach gesicherten USB -Stick, parkte ihn inmitten von Gummibändern, verrotzten Taschentüchern und verwaisten Hustenbonbons ganz hinten in der Schublade seines Vorgesetzten. Da würde nie jemand suchen.

KNOCHENHÖHLE

Schreibschrift
    Toby arbeitet an ihrem Tagebuch. Eigentlich fehlt ihr die Energie, aber nachdem Zeb sich die Mühe gemacht hat, ihr die Schreibutensilien zu besorgen, wird es ihm garantiert auffallen, wenn sie sie nicht benutzt. Sie schreibt in ein billiges Schulheft aus der Drogerie. Auf dem Deckblatt prangen eine gelbe Sonne, ein paar rosa Gänseblümchen und ein Mädchen und ein Junge im kindlich-rudimentären Zeichenstil von damals – wie lange ist es her? Es scheinen Jahrhunderte zu sein. Dabei ist es nicht mal ein Jahr.
    Der Junge trägt blaue Shorts, eine blaue Kappe und ein rotes T-Shirt; das Mädchen hat Zöpfe, ein ausgestelltes Röckchen und ein blaues Oberteil. Beide haben verschmierte schwarze Glubschaugen und dicke rote, nach oben gedrehte Münder; sie lachen sich tot.
    Sie sind tot. Diese Kinder sind nur gezeichnet, und dennoch sind sie genauso tot wie alle anderen. Sie kann diesen Umschlag nicht allzu lange ansehen, es tut zu weh.
    Konzentrier dich lieber auf deine Aufgabe. Nicht grübeln oder Trübsal blasen. Nimm einen Tag nach dem anderen.
    Sankt Bob Hunter und das Fest der Rainbow Warriors , schreibt Toby. Zeitlich könnte sie etwas danebenliegen – wahrscheinlich ein bis zwei Tage –, aber wie soll sie das überprüfen? Es gibt keine Instanz mehr für die Tage des Monats. Wobei, Rebecca könnte es wissen. Für die Festlichkeiten und Festmahle gab es jeweils bestimmte Rezepte. Vielleicht weiß sie sie auswendig; vielleicht hat sie aufgepasst.
    Mond: zunehmender Dreiviertelmond. Wetter: nichts Ungewöhnliches. Besondere Vorkommnisse: Schweine zeigen sich aggressiv. Zebs Expedition sichtet Spuren der Painballer: Ein Ferkel wurde geschossen und teilweise geschlachtet. Entdeckung einer Sandale aus Gummireifen, könnte auf Adam deuten. Kein sicherer Hinweis auf Adam Eins und die Gärtner.
    Sie denkt einen Augenblick nach, dann fügt sie hinzu: Jimmy ist bei Bewusstsein und erholt sich. Craker nach wie vor freundlich.
    »Was machst du da, o Toby?« Es ist der kleine Blackbeard: Sie hat ihn gar nicht kommen hören. »Was sind das für schwarze Linien?«
    »Komm hier rüber«, sagt sie. »Ich beiße nicht. Guck mal. Ich schreibe : Das sind die schwarzen Striche hier. Ich zeig’s dir.«
    Sie geht mit ihm die Grundlagen durch. Das hier ist Papier, es wird aus Bäumen gemacht. Ob das dem Baum weh tut? Nein, denn der Baum ist schon tot, wenn das Papier gemacht wird – nicht ganz die Wahrheit, aber was soll’s . Und das hier ist ein Kugelschreiber. Da ist schwarze Flüssigkeit drin, die nennt man Tinte, aber zum Schreiben braucht man nicht unbedingt einen Kugelschreiber . Zum Glück, denkt sie: Kugelschreiber gibt’s nämlich bald nicht mehr.
    Schreiben kann man mit vielem. Man kann mit Holunderbeersaft schreiben, man kann eine Vogelfeder als Stift benutzen,

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