Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
Namensschild geschielt – Namensschilder waren bei HelthWyzer ein modisches Statement – und eine hatte sich erkundigt, ob er neu sei, weil sie ihn noch nie hier gesehen habe, wobei sie selber natürlich auch noch nicht so lange hier sei.
War da ein kleiner Dreh in den Schultern, ein verräterisches Flattern der Augenlider? Marjorie , las er, ohne den Blick allzu lange auf ihrem Schild ruhen zu lassen, das auf einer Brust von nur mittelmäßiger Ausdehnung saß: offensichtliche Bimplantate waren bei HelthWyzer eher unüblich. Marjorie hatte ein knollennasiges, braunäugiges, wohlwollendes Cockerspanielgesicht, und unter normalen Umständen wäre er weiter gegangen, aber unter den gegebenen Umständen sagte er, na dann sieht man sich hoffentlich. Diese Hoffnung rangierte zwar nicht auf Platz eins der Liste seiner Hoffnungen – dort rangierte die Hoffnung, nicht enttarnt zu werden –, aber die ganz unterste Hoffnung war sie nun auch wieder nicht.
Seths Jobanforderungen umfassten die eines standardmäßigen, niederen IT -Dutzendware-Mitarbeiters. Dateneingabe unter Verwendung eines strunzöden, aber sachdienlichen Softwarepakets, um die diversen Fakten und eimerweisen Datenmengen der HelthWyzer-Topchecker zu verzeichnen und miteinander abzugleichen. Eine bessere digitale Tippse, mehr nicht.
Die Herausforderung war minimal. Er konnte den Job mit zwei Fingern erledigen und in bedeutend kürzerer Zeit als veranschlagt. Die Projektmanager kontrollierten nicht sonderlich genau, sie wollten einfach nur, dass er mit der Dateneingabe à jour blieb. In der Zwischenzeit konnte er ungestört in der HelthWyzer-Datenbank stöbern. Er ließ ein paar eigene Sicherheitschecks durchlaufen, um zu sehen, ob sich irgendwelche Piraten von außen einzuhacken versuchten: Das wäre eine nützliche Info gewesen.
Zunächst konnte er nichts Auffälliges entdecken; nur einmal stieß er bei seinen Tauchgängen auf etwas wie einen verschlüsselten Tunnel. Er schlängelte sich hindurch und befand sich auf einmal außerhalb der HelthWyzer-Firewalls, worauf er sich per Lotusblatt-Pathway einen Weg in den Urzeit-Exitus-Chatroom bahnte. Er hatte Post: Komm nur, wenn unbedingt nötig. Bleib nicht zu lange. Verwisch alle Spuren. A. Schnell loggte er sich wieder aus und löschte seine Spur. Er würde sich ein anderes Portal bauen müssen, denn wer immer diesen Tunnel benutzte, könnte dahinterkommen, dass noch jemand hier gewesen war.
Er fasste den Entschluss, Seth ein Image als Spiele-Freak zu verpassen. Für den Fall, dass jemand schnüffelte, würde es daher nicht weiter auffallen, wenn er sich auf der Urzeit-Exitus-Seite herumtrieb. Das war der offizielle Grund; außerdem wollte er die Spiele testen und schauen, wie gut man während der Arbeitszeiten ohne Abmahnung daddeln konnte – Angestellte sollten solcherart von Zeitverschwendung eigentlich vermeiden –, und auch, wie gut man schummeln konnte. Er sah das als gute Gelegenheit, am Ball zu bleiben.
Einige der zwecks Freizeitgestaltung zur Verfügung stehenden Spiele waren Standardrepertoire – Schnelligkeit, Waffen, Explosionen und so weiter –, andere jedoch wurden von den HelthWyzer-Mitarbeitern selbst ins Netz gestellt: Bio-Nerds waren nicht weniger nerdig als andere Nerds und entwarfen somit natürlich auch eigene Spiele. Dazu gehörte Spandrel , wobei das in dem Sinne kein Spiel war: Man konnte einfach funktional sinnlose Zusatzmerkmale für eine Bioform wählen, mit sexueller Selektion verlinken, eingeben und schauen, was die Evolutionsmaschine dazu ausspuckte. Katzen mit Hahnenkamm auf der Stirn, Echsen mit lippenstiftrotem Kussmund, Männer mit einem riesigen linken Auge – was immer die Frauen wählten, wurde favorisiert, und ihr schlechter Geschmack bei männlichen Attributen war leicht zu manipulieren, genau wie im richtigen Leben. Damit spielte man dann Räuber gegen Beute. Würden die supersexy Merkmale die Jagdfähigkeiten der Bioform behindern oder ihre Flucht erschweren? War der Typ nicht sexy genug, kriegte er keine Frau ab und starb aus; war er zu sexy, wurde er gefressen und starb aus. Sex versus Mittagessen: Es war eine Gratwanderung. Gegen kleinere Summen konnten willkürliche Mutationspäckchen erworben werden.
Auch WetterMonster war nicht schlecht: Bei diesem Spiel wurde der Spieler – ein mickriger Avatar, männlich oder weiblich – mit extremen Wetterereignissen beschossen, und man musste sehen, wie lange der Spieler überleben konnte. Mit seinen
Weitere Kostenlose Bücher