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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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beäugte Zeb die eintretenden Kunden und hoffte, er werde den Boten erkennen. War es dieses blonde Mischwesen im Neckholder und dem paillettenbesetzten dreihörnigen Kopfschmuck? Hoffentlich nicht. War es die pummelige, kaugummikauende Frau in den cremefarbenen Arsch-frisst-Hose-Shorts mit Retro-Korsettgürtel? Sie wirkte viel zu hohl, wobei Hohlheit eine fast todsichere Tarnung war, wenigstens für Mädchen. War es dieser unbeholfen wirkende Hänfling, der aussah wie jemand, der eines Tages ein Auditorium voller pickliger Mitschüler mit dem Maschinengewehr niedermähen würde? Nein, der auch nicht.
    Aber plötzlich, siehe da, stand Adam persönlich vor ihm. Zeb erschrak, als er in dem gerade noch leeren Stuhl gegenüber Gestalt annahm. Es hatte etwas geradezu Ektoplasmatisches.
    Adam sah aus wie sein eigenes Passbild, ein Bild, das jetzt schon verblasste und irgendwann nur noch hell-dunkel sein würde. Es war, als wäre er von den Toten auferstanden: Er hatte diesen glasig-leuchtenden Blick. Sein T-Shirt war beige, seine Baseballmütze ohne Slogan. Er hatte sich einen Happimokka geholt, damit es aussah, als wären hier nur zwei schräge Vögel, die sich von ihrer Nerdarbeit eine Pause gönnten oder irgendein neues Startup-Unternehmen planten, das ohne Frage wie ein Luftschiff bei der Landung implodieren würde.
    Happimokka und Adam passten null zusammen: Zeb war gespannt, ob er von dem Zeug – etwas so Unreinem – tatsächlich trinken würde.
    »Sprich leise«, waren Adams erste Worte. Keine zwei Sekunden zurück in Zebs Leben, und schon kommandierte er ihn wieder herum.
    »Ach, dabei wollt ich mir gerade die verdammte Seele aus dem Leib brüllen«, sagte Zeb. Er wartete auf die Ermahnung, das Fluchen zu unterlassen, aber Adam ging nicht darauf ein. Zeb starrte ihn an: Irgendetwas war anders. Seine Augen waren genauso rund und blau, die Haare aber waren blasser. War es möglich, dass er schon weiß wurde? Außerdem wuchs da ein neuer, ebenfalls blasser Bart. »Schön, dich zu sehen«, fügte er hinzu.
    Adam schenkte ihm ein flackerndes Lächeln. »Du gehst zu HelthWyzer West bei San Francisco«, sagte er. »Als Dateneinleser. Ich hab alles vorbereitet. Wenn du gleich gehst, nimm die Tüte mit, die links neben deinem Bein steht. Da ist alles drin, was du brauchst. Du musst die Scans und Abdrucke in den Ausweis einfügen lassen – wo, steht auf dem Zettel. Die alten Ausweisdaten müssen dann weg: Lösch alles, was online ist. Aber das muss ich wohl nicht dazusagen.«
    »Wo warst du überhaupt?«, fragte Zeb.
    Adam lächelte auf seine unerträglich gottesfürchtige Art. »Streng vertraulich«, sagt er. »Ich will keinen mit reinziehen.« Genau solche Antworten weckten in Zeb das Verlangen, ihm eine Kröte ins Bett zu stecken.
    »Stimmt, ich böser Junge. Okay, was ist dieses HelthWyzer West, und was soll ich da?«
    »Das ist ein Konzern«, sagte Adam. »Forschung und Innovation. Drogen also, von der medizinischen Sorte; Vitaminzusätze; Material für Genspleißungen und Genkorrekturen, vor allem die Hormonmischungen und Simulatoren. Die sind ein sehr mächtiges Unternehmen. Die haben jede Menge Topleute am Start.«
    »Wie hast du mich da reingekriegt?«
    »Ich hab ein paar neue Beziehungen«, sagte Adam mit seinem oberschlauen Dauerlächeln. »Die passen auf dich auf. Da kann dir nichts passieren.« Er warf einen Blick über Zebs Schulter, und dann auf die Uhr. Zumindest machte es den Anschein. Zeb hatte inzwischen einen Blick für Irreführungen: Adam scannte den Raum nach Spitzeln.
    »Lass den Scheiß«, sagte Zeb. »Ich soll doch irgendwas für dich tun.«
    Adam lächelte konsequent weiter. »Du wirst eine Schwarzlicht-Kopfleuchte«, sagte er. »Pass aber echt auf beim Einloggen, wenn du da bist. Ach ja, und es gibt eine neue Dropbox und ein neues Gateway. Geh nicht wieder auf die Zephyr-Seite, die könnte aufgeflogen sein.«
    »Was ist denn ne Schwarzlicht-Kopflampe?«, fragte Zeb. Aber Adam war aufgestanden, hatte sein beigefarbenes Shirt zurechtgezupft und war schon halb durch die Tür. Er hatte die Tasse Happimokka nicht mal angerührt, also nahm Zeb sich ihrer an. Ein stehengelassener Happimokka würde sicherlich Blicke auf sich ziehen in einer Plebsgegend wie dieser, wo nur Zuhälter genug Geld hatten, um es aus dem Fenster zu werfen.
    Zeb ließ sich Zeit auf dem Weg zurück zum Starburst. Unterwegs prickelte es nonstop in seinem Nacken, so überzeugt war er, dass ihn jemand verfolgte. Aber niemand

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