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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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stellt
     diese Helsingforth vor dieser Filmkulisse dar? Eine antike Heldin? Ein geheiligtes Monstrum? Keineswegs, nur der äußere Schein
     ist eindrucksvoll. Man denke sich die Größe und die Muskulatur weg, was bleibt dann? Eine unerbittliche Geschäftsfrau, eine
     Millionärin von schlechten Manieren, eine unerträgliche Komödiantin.
    Ich sitze auf meinem Hocker, stumm, willfährig, mit gesenkten Augen, doch der Schein trügt. Innerlich grinse ich. Ich blicke
     geringschätzig auf meine Partnerin herab, ziehe sie in den Dreck. Alles Kitsch, die ganze Helsingforth. Eine billige Sadistin
     und Paranoikerin, die sich für Nero hält, weil sie ihre Busenfreundin vertrimmt. Im Grunde ist sie trotz ihres Gehabes die
     Vulgarität in Person. Sie hat keinen Stil, keine Finesse. Ich bin unbedacht und vergesse, daß mein Leben von ihr abhängt,
     und nicht nur mein eigenes Leben. In ihrer Gegenwart werde ich zusehends wieder zum Phallokraten. Ich siele mich – ich auch!
     – in geschmacklosen sadistischen Wunschträumen. Beispiel: Ich stehe auf, nehme den Hocker, schleudere ihn gegen ihren Kopf
     und nutze ihre Ohnmacht aus, um sie zu vergewaltigen …
    In diesem Augenblick setzt meine Vergewaltigte ihre Tasse aufs Tablett und sieht mich an, fast wohlwollend, könnte man meinen.
     Sachliche Stimme. Samtpfoten. Mein Gott, wie schlecht sie ihre Rolle spielt! Wie sie überzieht! Wie sie ihre Absichten zu |227| verschleiern sucht! Als ob das grausame Finale nach diesem süßlichen Vorspiel nicht vorauszusehen wäre!
    »Wie geht es in Ihrem Labor voran?«
    »Sehr gut.«
    Sie kontert sofort.
    »Zu gut! Ich habe einen Bericht erhalten, in dem von übermäßiger Intimität zwischen Ihnen und Burage die Rede ist.«
    Ich antworte ganz sachlich.
    »Burage hat eine wichtige verwaltungstechnische Funktion, ich sehe sie oft, unsere Beziehungen haben sich sehr verbessert.«
    Pause. Sie beugt sich wieder über ihre Tasse und hebt dann den Kopf, um mir frostig entgegenzuhalten:
    »Ich habe andere Informationen über Sie, in denen von einer zweideutigen Haltung gegenüber Friedman und Mrs. Barrow gesprochen
     wird.«
    »Friedman?«
    »Die Milizionärin, die Sie Pussy nennen.«
    »Zweideutig ist nicht der richtige Ausdruck«, sage ich nach einer Weile. »Mein Verhalten ist korrekt, aber ich kann nicht
     leugnen, daß ich mich gegen meinen Willen von den genannten Personen angezogen fühle.«
    Helsingforth sieht mich mit eisiger Miene an. Im nachhinein frage ich mich, warum ich ihr dieses blödsinnige Eingeständnis
     gemacht habe. Vielleicht wollte ich in bezug auf die beiden anderen konzilianter sein, nachdem ich mit Burage alles abgestritten
     hatte. Aber nein, das ist es nicht. Der wahre Grund ist, daß mich Helsingforths schlechtes Komödienspiel zur Verzweiflung
     bringt und daß ich irgendwie auch meine Rolle spiele! In einem mir fremden Stil. Wieder einmal stelle ich fest: Mit einem
     Falschspieler kann man nicht ehrlich spielen!
    »Ich hoffe, Doktor«, sagt Helsingforth in vernichtendem Ton, »Sie sind sich über die Tragweite des eben Gesagten im klaren.«
    Ihre angebliche moralische Entrüstung ist wiederum wenig überzeugend.
    »Ich bin mir darüber im klaren«, sage ich. »Zudem vermute ich, daß Sie von mir offene Antworten erwarten.«
    Ich ziehe mich, mehr schlecht als recht, aus der Affäre.
    Sie macht eine dramatische Pause und sagt, ohne die Stimme zu heben: »Also, Doktor, was machen wir nun mit Ihrer Kündigung?«
    |228| Das ist es also! Nachtigall, ich hör’ dich trapsen! Und obendrein so tun, als würde ich um meine Meinung gefragt. Dieses kleine
     sadistische Spiel ist plump und dumm. Aber es verfehlt nicht seine Wirkung auf mich. Ich bekomme einen ganz trockenen Mund,
     mir kleben die Lippen aufeinander, und meine Stimme ist klanglos.
    »Gibt es einen neuen Gesichtspunkt, der Sie veranlaßt, Ihre Entscheidung zu revidieren?«
    »Es gibt einen«, sagt sie mit so schlecht gespielter Gelassenheit, daß ich sofort den nächsten Fußtritt erwarte. »Die Bedford-Administration
     wird die Subventionen für Ihre Forschungsarbeit ab Oktober einstellen.«
    Dieser Hieb trifft völlig daneben. Erstens, weil das vorauszusehen war, zweitens, weil meine Arbeit bis Oktober abgeschlossen
     sein wird. Möglicherweise sogar früher.
    Ich sage ihr das.
    Sie schweigt und zieht dann eine Show ab, die mehr als plump ist. Im Zeitlupentempo gießt sie sich eine zweite Tasse Tee ein,
     nimmt zwei Stück Zucker und rührt mit einem

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