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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Teelöffel darin herum. Das nimmt eine gute Minute in Anspruch. Ich sehe geduldig
     in die Flammen.
    Nachdem sie mich so – wie sie glaubt – auf die Folter gespannt hat, sagt sie mit scheinbarem Gleichmut: »Ob Sie es bis dahin
     schaffen oder nicht – es ist sehr unwahrscheinlich, daß ich mit der Produktion Ihres Serums beginnen kann.«
    Aber auch das war mir bekannt! Helsingforth sagt mir nichts Neues. Sie bestätigt nur, was ich schon weiß. Und ich zeige weder
     Überraschung noch Empörung. Ihre Bombe ist ein Spätzünder. Ich schweige.
    Schade, daß ich versäume, aufzublicken und sie anzusehen, aber ich glaube, meine Dickfelligkeit hat sie aus der Fassung gebracht.
     Nach einer Weile fährt sie in einem Ton fort, der mich durch seine Natürlichkeit in Erstaunen setzt:
    »Glauben Sie mir, ich bin selbst nicht gerade glücklich bei dem Gedanken, diesen riesigen Markt zu verlieren. Wie Sie sich
     vorstellen können, ist mir persönlich sehr daran gelegen, Ihr Serum kommerziell zu verwerten. Doch bei dem gegenwärtigen Stand
     der Dinge halte ich das für ausgeschlossen.«
    Sie hat fast menschliche Töne gefunden, um mir von ihren Geldsorgen zu berichten.
    |229| Ich schweige mit gesenktem Blick und stelle mir ein paar Fragen. Wenn sie davon überzeugt ist, mein Serum nicht produzieren
     zu können, was hindert sie daran, mich unverzüglich zu entlassen? Und wenn sie eine solche Absicht hat, warum tut sie es nicht
     schriftlich? Was bezweckt sie mit dieser Unterhaltung? Mit angespannten Sinnen wappne ich mich für den nächsten Angriff, der
     auch tatsächlich kommt, von einer völlig unerwarteten Seite.
    »Martinelli, Sie haben zugegeben, daß Sie sich,
gegen Ihren Willen,
von Friedman und Mrs. Barrow angezogen fühlen.«
    »Es ist nichts Anstößiges vorgefallen: weder Worte noch Gesten.«
    »Es gab Blicke.«
    »Ja, aber auch das hat aufgehört.«
    »Ich weiß.«
    Sie sieht mich mit ihrem rechten Auge an, auch mit dem linken, glaube ich, obwohl es unter ihrem Haar verborgen bleibt.
    »Und fühlen Sie sich,
gegen Ihren Willen,
auch von mir angezogen?«
    Das war es also! Ich bin sprachlos! Ich kann mir gratulieren, daß ich mich von Anfang an dafür entschieden habe, das Unschuldslamm
     zu spielen. Denn diesmal war ihr Pulver nicht naß geworden. Der Schlag sitzt! Ich bin echt überrumpelt. Ich fühle mich wie
     eine Stenotypistin, der ein tyrannischer Chef den Hof macht.
    Ich weiß absolut nicht, was ich antworten soll, und sage auf gut Glück: »Ich bin ein wenig hungrig. Darf ich mir eine Scheibe
     Toast nehmen?«
    Dieser Einfall ist gar nicht so schlecht. Wenn sie mit mir schlafen will, muß sie mir wenigstens etwas zu essen geben.
    »Sie dürfen«, sagt sie unwirsch.
    Ich bediene mich und begnüge mich nicht mit der Scheibe Toast, sondern bestreiche sie auch mit Butter. Und führe sie ohne
     übermäßige Hast zum Mund.
    »Sie sind mir eine Antwort schuldig«, sagt sie voller Ungeduld.
    »Ich zögere, sie Ihnen zu geben.«
    »Warum?«
    »Weil sie mir zur Last gelegt werden könnte. Soeben haben Sie mir die paar armseligen Blicke angelastet, die ich Pussy und
     Mrs. Barrow schenkte.«
    |230| »Hier bin ich der Richter«, sagt Helsingforth.
    Wenn nicht mein Schicksal und das meines Serums auf dem Spiel stünden, könnte ich ihr für diesen Zynismus fast dankbar sein.
     Zumindest liegen die Dinge klar. Sie glaubt von der herrschenden Orthodoxie kein Sterbenswörtchen.
    Unter ihrem Blick spüre ich, daß ich nicht mehr ausweichen kann. Ich lege die angebissene Scheibe Toast auf den Tisch und
     sage: »Die Anziehungskraft, von der Sie sprachen, existiert wohl, doch steht sie mit der Angst im Widerstreit.«
    »Erklären Sie das«, sagt sie abweisend.
    »Sie haben mir zu Beginn dieses Gesprächs zu verstehen gegeben, Sie könnten mich zu jedem beliebigen Zeitpunkt entlassen.
     Ich möchte, daß Sie solche Andeutungen zurücknehmen.«
    »Warum?«
    »Damit Sie nicht glauben, meine Entscheidung sei von der Angst diktiert.«
    Ein Blick. Sie zögert zu verstehen. Hochmütiges Stirnrunzeln. Grimasse. Verächtliche Ungläubigkeit. Dann lautes Lachen aus
     voller Kehle. Beleidigend, provozierend. Ha! ha! ha! gurgelt sie mit abgrundtiefer Verachtung. Und verfehlt natürlich ihr
     Ziel. Ihr heimtückisches Lachen bleibt ohne Wirkung; der Ton ist falsch, paßt überhaupt nicht zu ihrer Stimme. Sie beleidigt
     mein Ohr, nicht mich.
    Abgesehen davon, daß sie ihr Ha! ha! ha! zu sehr in die Länge zieht. Nur das fröhliche

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