Die geschützten Männer
Lachen ist lang. Das böse Lachen ist
immer kurz. Ihr Lachen ist doppelt falsch: im Ton und in der Dauer.
»Martinelli«, sagt sie mit verächtlichster Miene, »Sie sind naiv. Wenn Sie glauben, daß ich Ihnen im Austausch für Ihre kleinen
Dienste Ihr Verbleiben in Blueville garantieren werde, machen Sie sich Illusionen. Es steht Ihnen nicht zu, irgend etwas auszuhandeln.
Wenn Sie nachgeben, werden Sie nichts von mir bekommen, nicht einmal das Versprechen, Sie zu behalten.«
Wenn Sie nachgeben!
Sie hat das gesagt, ohne zu lachen. Und trotz der mir drohenden Gefahr finde ich ihre Kraftanstrengungen, mich zu bewegen,
mit ihr zu schlafen, langsam komisch. Letzten Endes habe ich vielleicht nichts zu gewinnen, aber sicher auch nichts zu verlieren.
Ich entschließe mich, diesem Haudegen die Stirn zu bieten.
»Erlauben Sie mir eine Frage?« sage ich höflich.
|231| »Ja.«
»Als ich Ihnen vorhin den Rücken abgetrocknet habe, spürten Sie doch sicher …«
Ich beende meinen Satz nicht und lächle ihr zu, ein wenig hurenhaft – was ich mir zum Vorwurf machen würde, wenn es nicht
leider der Situation entsprochen hätte.
»Aber gewiß«, sagt sie, als verstünde sich das von selbst.
»Finden Sie nicht, daß die Erpressung mit der Entlassung in diesem Falle überflüssig ist?«
»Ja«, sagt sie, »wenn ich Sie bloß haben wollte. Aber das reicht mir nicht. Ich will Sie unterwerfen.«
Großer Gott, mich unterwerfen. Wie Julius Caesar Gallien unterworfen hat!
Welche Maßlosigkeit! Soviel Wind um einen lächerlichen Koitus!
Ich will diese riesige Wespe ein bißchen an der Nase herumführen.
»Sie wollen mich unterwerfen?« frage ich mit einnehmendem Lächeln. »Ich weiß nicht, wie das vor sich gehen soll. Da ich Sie
begehre, bleibt die Situation zweideutig. Wenn ich mich dafür entscheide, mit Ihnen zu schlafen, werden Sie niemals wissen,
was für meine Entscheidung den Ausschlag gab, das Begehren oder die Angst.«
Ich sehe ihr an, daß sie sich in so spitzfindige Gedankengänge nicht verstricken lassen will. Sie zieht sich auf ihre Art
aus der Affäre: autoritär.
»Wissen Sie, Martinelli«, sagt sie brutal, »ich pfeife auf Ihre italienische Subtilität! …«
Ich komme nicht dazu, ihr eine Antwort zu geben. Ein Blitz taucht das Zimmer in weißes, unerträgliches Licht, unmittelbar
darauf ein harter, lauter Donnerschlag. In der Küche stößt jemand einen Schrei aus.
»Audrey!« schreit Helsingforth.
Sie schnellt mit massiger Beweglichkeit von ihrem Sessel empor, reißt die Küchentür auf und erscheint Sekunden später mit
Audrey im Arm.
»Doktor«, kreischt sie angstvoll, »ist sie getroffen?«
Während sie das sagt, legt sie Audrey auf die Felldecke des riesigen Diwans. Ich trete näher und beuge mich über das Mädchen.
|232| »Rühren Sie mich nicht an!« schreit Audrey. Aus ihren weit aufgerissenen Vergißmeinnichtaugen starrt sie mich voller Abscheu
an.
»Ihr ist nichts passiert«, sage ich mit leisem Lächeln. »Ihre Reaktion beweist es.«
Aber Hilda Helsingforth lacht nicht. Sie setzt sich auf das Bett, lehnt sich mit ihrem breiten Rücken an die Zedernholzverkleidung,
richtet Audreys Körper mit erstaunlicher Behutsamkeit auf, bettet Oberkörper und Kopf auf ihren Schoß und streichelt, den
grazilen Nacken mit dem Ellbogen stützend, mit ihrer breiten Hand Audreys Haar. Gleichzeitig überschüttet sie das Mädchen
mit einer Flut unverständlicher, zärtlicher Worte, die halb ein Schnurren, halb ein gedämpftes Brüllen sind.
Ich traue meinen Augen kaum. Auch nicht meinen Ohren. Ich hatte falsche Vorstellungen von den Paranoikern. Ich hatte geglaubt,
die mit verfolgungswütigem Sadismus gekoppelte Hypertrophierung des eigenen Ichs hinderte sie, zu lieben. Was für ein Irrtum!
Ich kann mich mit eigenen Augen davon überzeugen: die Peitschenhiebe schließen die innige Zuneigung nicht aus.
Ich muß gestehen, daß ich die Beziehung der beiden Frauen nicht in diesem Licht gesehen hatte. Und es wird mir ein bißchen
peinlich, zugegen zu sein. Die kleinen sadistischen Spiele gehen noch an. Aber niemand ist gern Zeuge intimer Zärtlichkeiten.
Ich fasse einen Entschluß: ich verschwinde.
Als ich in Richtung Tür gehe, hebt Helsingforth den Kopf, als wäre sie erstaunt, mich dort zu sehen.
»Ich fahre morgen nach Washington«, sagt sie mit abwesender Stimme. »In acht Tagen werde ich zurück sein.«
Ende. Ich trete ab. Sie hat für mich nicht einmal ein
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