Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
unverbindliches »Auf Wiedersehen« übrig. Aber ich verstehe ihren Satz
     dahingehend, daß sie mich für den Augenblick beurlaubt und sich mit mir für später verabredet.
     
    Nachdem die Tür der Luxushütte hinter mir ins Schloß gefallen ist, hole ich tief Luft und schlucke dabei etwas Wasser. Es
     gießt wie aus Kannen, doch seltsamerweise ist der Himmel viel heller als während meines Gesprächs mit Helsingforth. Ich laufe
     im Regen zu den Pferdeställen. Der Wallach ist schon gesattelt, |233| und in Schuschkas Box finde ich mit Erleichterung die gewöhnliche Menschheit wieder vor, in Gestalt Jackies.
    »Sie können ungehindert reden«, sagt Jackie und lächelt mir offenherzig und natürlich zu. Nach dem eben Überstandenen wirkt
     das auf mich wie ein Sonnenstrahl.
    »Das Gewitter macht jede Form des Abhörens unmöglich«, fährt sie fort. »Außerdem hat Helsingforth im Augenblick Wichtigeres
     zu tun. Ich habe Ihre Schuschka beim ersten Blitz zu satteln begonnen: ich wußte, was da kommen würde. Audrey hat eine panische
     Angst vor dem Blitz, dann schießen bei Helsingforth die mütterlichen Empfindungen hoch, und es fangen die großen Liebkosungen
     an.«
    »Sie kennen die beiden?«
    Jackie lacht.
    »Ich versorge das glückliche Paar zweimal in der Woche mit Proviant. Per Jeep, und wenn der Jeep nicht durchkommt, zu Pferd.«
    Sie löst einen blauen, durchsichtigen Regenmantel vom Sattel, streift das enganliegende Kleidungsstück über ihre Uniform und
     zieht die Kapuze über das Käppi. Sie wirkt charmant, und darüber hinaus ist meine Milizionärin wie ausgewechselt. Während
     sie den Bauchgurt ihres Pferdes fester schnallt, entdecke ich in ihren leuchtenden Blicken, in ihren lebhaften Bewegungen,
     in ihrem herzlichen Lachen eine vielversprechende Fröhlichkeit.
    »Aufgesessen!« ruft sie mit einem prickelnden Lachen. »Sie reiten voraus, Doktor, solange man uns von hier aus sehen kann.
     Danach wird es nicht mehr nötig sein.«
    Ich ziehe meine Golfmütze tief über die Ohren und knöpfe meinen Regenmantel bis zum Kinn zu, ohne mir Illusionen über seine
     Undurchlässigkeit zu machen. Ich spüre im voraus die kleinen eisigen Rinnsale, die mir den Nacken herunterlaufen werden. Da
     ist die weibliche Kapuze meiner militärischen Begleiterin viel vernünftiger. Sie zieht sie unter dem Kinn mit einem Band zusammen,
     so daß nur ihr helles, ovales Gesicht und ihre grauen Augen, in denen eine unerklärliche Freude tanzt, unbedeckt bleiben.
     Den Fuß im Steigbügel, wirft sie mir einen letzten sprühenden Blick zu, bevor sie sich in den Sattel schwingt.
    Sobald wir die Umzäunung verlassen haben, holt sie mich ein, trabt wortlos neben mir her und wendet mir ihr eingemummtes, |234| regennasses Gesicht zu, in dem das Rosa ihrer Wangen, das Grau ihrer Augen und das Weiß ihrer Zähne seltsam verschwimmen.
    Wir gelangen auf den Sandweg. Er ist breiter als der Pfad, der sich zwischen den Zedern hindurchwindet. Und vor allem haben
     wir eine geradlinig ansteigende Strecke vor uns. Es gießt unaufhörlich, wir sind von den Blitzen bisweilen geblendet, und
     in den Bergen hallt endlos der dumpfe Donner wider, dessen entfesseltes Grollen mich gleichzeitig erleichtert und erregt.
     Jackie ruft aufgeräumt:
    »Galopp, Doktor?«
    »Galopp!«
    Am Ende dieser geraden Strecke fallen wir in Trab, um eine Haarnadelkurve zu nehmen, und gelangen schließlich an einen steilen,
     vom Wasser unterhöhlten Abhang, der uns Schritt zu reiten zwingt.
    Jackies rosiges, vom Regen gepeitschtes, vom Reiten erhitztes Gesicht wendet sich mir unter der blauen Kapuze ohne Unterlaß
     zu, mit einer freudigen Erregung, die mir angenehm ist, auch wenn ich sie nicht teile, da mich meine problematische Zukunft
     in Blueville beschäftigt. Ich achte sehr auf Schuschka, denn der Regen hat die Fahrspuren in dem sandigen Weg ausgewaschen,
     und Schuschka weicht ihnen immer häufiger aus, wobei sie sich bald dem scheuenden Wallach, bald dem Abhang, an dem wir entlangreiten,
     bedenklich nähert.
    Erleichtert sehe ich der Talsenke entgegen. In Wirklichkeit sehe ich sie nicht. Der geballte Nebel entzieht sie meinen Blicken,
     und erst als wir schon mit der Nase darauf stoßen, entdecke ich sie.
    Staunen. Das Rinnsal, das wir auf dem Hinweg an einer seichten Stelle überquert hatten, ist ungeheuer angeschwollen, und die
     Strömung führt lehmiges Wasser, das uns und die Pferde unweigerlich mitreißen würde, wenn wir leichtsinnig genug wären,

Weitere Kostenlose Bücher