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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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über
     Sie und mich geschrieben hat.«
    Ich sehe sie an. Sie weiß also schon alles über mein Gespräch mit Helsingforth. Jackie, der ich vergangene Nacht alles erzählt
     habe, hat keine Zeit verloren, sich mit Burage in Verbindung zu setzen.
    »Zweifeln Sie daran?« fährt Burage fort. »Genügt Ihnen nicht die Frage, die Helsingforth Ihnen gestellt hat? Brauchen Sie
     noch mehr Beweise? Ist Ihnen niemals aufgefallen, daß Crawford uns nachspioniert?«
    Ich müßte lügen, wenn ich nein sagte. Deshalb schweige ich lieber. Doch mein Schweigen wird mir die Fortsetzung nicht |252| ersparen, im Gegenteil. Burage stürzt sich mit scharfen Krallen auf mich.
    »Doktor«, sagt sie, heftig atmend, mit flammendem Blick (ich starre sie in ihrer wundervollen animalischen Entfesselung an,
     und ein dem Augenblick unangemessenes Begehren meldet sich, ich höre ihr kaum zu und spüre einen verzehrenden Wunsch, sie
     in die Arme zu nehmen). »Doktor«, sagt Burage mit leiser, erregter Stimme, »Sie haben eine besonders heuchlerische Art zu
     schweigen! Das erspart Ihnen, die Schuld dieser Hündin einzugestehen! Und mich nach ihrem Beweggrund zu fragen! Denn selbstverständlich
     sind Sie in dieser Angelegenheit ein Unschuldsengel, Sie haben nichts gesehen und gehört. Sie haben sich damit begnügt, der
     betreffenden Person von Zeit zu Zeit eines Ihrer verführerischen Lächeln zu schenken.«
    »Sie sind ungerecht, Burage«, sage ich, wenig überzeugend, »das Lächeln hat aufgehört.«
    »Heiliger Joseph!« zischt Burage und macht einen Schritt nach vorn, als wollte sie sich auf mich stürzen. »Sie strotzen wirklich
     von Fehlern, Doktor, ganz zu schweigen von Ihrer ›plumpen und unersättlichen Libido‹, um einen Ihrer Freunde zu zitieren.«
    »Danke für das Zitat«, sage ich pikiert. »Ich danke Stien und danke auch Rita, daß sie es Ihnen erzählt hat.«
    »Danken Sie auch Crawford für die angenehmen kleinen Erlebnisse, die sie Ihnen verschafft hat, wenn Sie an ihrem Arbeitsplatz
     die Präparate überprüften. Oh, es stimmt, von Ihrer Seite gab es kein Lächeln und keine Blicke mehr! (Sie hat mich also überwacht.)
     Aber die herzliche Stimme, Doktor, die versteckten Gesten, italienischer Charme aus allen Registern! Und diese Hündin brachte
     sofort ihre Figur und ihren Busen zur Geltung und ließ sich eine Strähne ihres dreckigen Haars über die Augen fallen, wie
     in einem billigen Film.«
    »Stop«, sage ich mit abwehrender Geste. »Ich gebe zu, Crawford hat mir gefallen! Aber sie hatte kein dreckiges Haar!«
    »Was?« zischt Burage in heller Empörung. »Sie wagen es, das zuzugeben? Was für ein widerlicher Zynismus!«
    »Burage, Sie müssen sich entscheiden. Wenn ich es abstreite, bin ich ein Heuchler, wenn ich es zugebe, ein Zyniker.«
    »Sie sind beides!« sagt sie mit verhaltener Wut. Doch bevor sie diesmal zu Einzelheiten übergeht, unterbreche ich sie.
    |253| »Erlauben Sie mir eine Frage, Burage, bevor Sie mich in Stücke reißen. Wenn ich Crawford gefallen habe, so deshalb, weil sie
     die Männer mag. Und warum sollte man sie in diesem Fall nicht für das
Wir
gewinnen?«
    »Ich habe selbst daran gedacht«, sagt Burage mit ruhigerer Stimme, in der ein Anflug von Bedauern mitschwingt. »Leider gehört
     Crawford zu den zwiegeteilten Personen, ihr Körper will das eine, ihr Verstand das andere. Crawford ist eine Frömmlerin der
     LIB und eine engstirnige Bedfordistin. Wenn sie mit Ihnen geschlafen hätte, wäre sie sehr zufrieden gewesen – und hätte Sie
     trotzdem denunziert.«
    Eine nicht zu beweisende Vermutung, die mir bei weiterem Nachdenken einleuchtend erscheint.
    »Und was wird jetzt mit ihr geschehen?« frage ich.
    »Sie meinen, nachdem man unter ihren Sachen den
Superdoll
gefunden haben wird? Seien Sie unbesorgt, nichts Schlimmes. Mrs. Barrow wird sie in eine Umerziehungsanstalt bringen lassen.
     Dort wird man ihr beibringen, daß die Vagina kaum sensibel ist, daß der weibliche Orgasmus zu 100 Prozent von der Klitoris
     abhängt und der männliche Penis für ihr Lustempfinden völlig überflüssig ist.«
    Ich kenne diese Leier schon, aus der gewichtigen Feder von Deborah Grimm. Aber Burages Wandlung setzt mich in Erstaunen. Als
     ob die zur Sprache gebrachte Entfernung Crawfords sie ruhiger gemacht hätte, habe ich schlagartig einen anderen Menschen vor
     mir: fröhlich, angeregt, freundlich, spöttisch.
    »Und was halten Sie davon, Doktor?«
    »Ich? Ich bin doch kein Gynäkologe, zudem ist die

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