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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Frage sehr umstritten.«
    »Aber Sie haben doch wohl eine Meinung dazu?«
    »Oh, eine Meinung! Darüber gibt es so viele Meinungen wie Experten. Glauben Sie mir, Burage, die Leute, die vorgeben, im Besitz
     der vollen Wahrheit über den weiblichen Orgasmus zu sein, sind abgefeimte Schwätzer.«
    »Aber Doktor, seien Sie nicht so bescheiden. Sie werden doch irgendeine Meinung zu dem Problem haben! Lassen Sie mich raten!
     Als Phallokrat, der wenig Reue zeigt, messen Sie dem vaginalen Orgasmus bestimmt große Bedeutung bei.«
    »Lesen Sie Kegel«, sage ich, in die Defensive gedrängt.
    »Wer ist Kegel?«
    |254| »Ein Gynäkologe.«
    »Und was hat er gemacht?«
    »Er kam auf die Idee, die Inkontinenz seiner Patientinnen durch Übungen zu behandeln, die die Muskulatur rings um die Vagina
     stärken sollten.«
    »Und hatte er Erfolg?«
    »Über aller Erwartungen hinaus. Seine Patientinnen wurden nicht nur gesund, sondern stellten bald fest, daß sie viel leichter
     als zuvor zum Orgasmus kamen. Einige, die frigide gewesen waren, lernten ihn zum erstenmal kennen.«
    »Und welche Schlußfolgerung ziehen Sie daraus?«
    »Daß ein Muskel des unteren Darmendes,
levator ani
, beim weiblichen Orgasmus eine große Rolle spielt und daß er durch den Druck und die Reibung des Penis im Innern der Vagina
     sehr stimuliert wird.«
    »Druck und Reibung des Penis! Wie gut Sie das gesagt haben! Sie sind ein Poet, Doktor!« spöttelt sie. Gleichzeitig errötet
     sie unerklärlicherweise bis über die Ohren und kehrt mir unvermittelt den Rücken zu, während das Haar ihren Hals umspielt.
     Über die Schulter hinweg sagt sie mir in schroffem, autoritärem Ton: »Ich komme am frühen Nachmittag wieder. Ich habe Ihnen
     von zwei Sie betreffenden Entscheidungen Mitteilung zu machen.«
     
    Beim Mittag stelle ich fest, daß Stien weiter mit mir schmollt. Er würdigt mich nicht einmal eines Blickes, und noch mehr
     macht es mir zu schaffen, daß ich auch für Mutsch Luft bin. Wer weiß, wie sie meine Abwesenheit am Sonnabend und meine Weigerung,
     am sonntäglichen Spazierritt teilzunehmen, ausgelegt haben. Als Entschädigung ist Dave neben mir außer sich vor Glück. Verstohlen
     wirft er mir halb komplizenhafte, halb bewundernde Blicke zu. Offensichtlich ist er zufrieden, einen Vater zu haben, der imstande
     ist, die Stacheldrahtumzäunung von Blueville zu überwinden und unter geheimnisvollen Bedingungen eine Nacht im Wald zu verbringen.
    Ich sehe, ohne den Blick höher als bis zu ihrer Hüfte gleiten zu lassen, Burage vorübergehen. Sie läßt sich mit ihrem Tablett
     an einem leeren Tisch nieder, wo sie nicht lange allein bliebt, denn unter halbverdeckten Lidern sehe ich einen in eine blaue
     Hose gezwängten Bauch, den ich als Crawfords Bauch erkenne. |255| Ein kurzer Blick bestätigt die Beobachtung. Obendrein ist dieser weibliche Judas im Begriff, ihrer Kollegin, die sie hat hochgehen
     lassen, aufs liebenswürdigste zuzulächeln.
    Dave verläßt mich, um mit seinen kleinen Freunden Tennis zu spielen, vor allem mit Joan Smith, elfeinhalb Jahre alt, die er
     nach seinen Worten allen anderen vorzieht, weil sie ein Mädchen und »weich« ist. Ich folge diesem vielversprechenden Phallokraten
     mit den Augen.
    Nachdem der letzte karge Bissen hinunter ist, verlasse auch ich die Cafeteria und zwinge mich, Jespersen freundschaftlich
     zuzuwinken, der gerade schlank und schön hereinkommt, als ich zur Tür gehe; jetzt weiß ich, was sich hinter dieser liebenswürdigen
     Schale verbirgt. Genau dieselbe Geste – wie doch der Schein trügt! – wiederhole ich einen Augenblick später in Ritas Richtung,
     die mir strahlend zulächelt, während sie mit einem Tablett in der Hand um eine dunkle, hagere Frau herumtänzelt. Ich stelle
     mir sofort die Frage, ob nicht sie die Verbindung des
Wir
zu Jespersens Labor ist.
    In dem langen, zum Ausgang führenden Korridor begegne ich zwei Personen. Zunächst sehe ich Mr. Barrow auf seinen dicken Gummibeinen
     auf mich zuschnellen. Aus zwei Schritt Entfernung neigt er mir seinen glänzenden Schädel entgegen und flüstert mir vertraulich
     zu, daß heute abend um neun die »Kommission« kommen wird; er hoffe, daß ich ihr einen guten Empfang bereite. Ich versichere
     es ihm und drehe mich dann um, ihm nachzublicken, bis sein riesiges Gesäß in der Tür der Cafeteria verschwindet. Ich gehe
     weiter, bleibe aber nicht allein. Am anderen Ende des Korridors taucht Mrs. Barrow auf. Sobald ich sie zu Gesicht

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