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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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an. Sein langes, messerscharfes
     Gesicht ist nicht anders als sonst: ohne Falten und bleich. Dagegen fällt eine Spannung in seinen Augen und eine gewisse Nervosität
     um seine schmalen Lippen auf. Ich neige dazu, beides der Überlastung zuzuschreiben. Grabel leistet im Labor die Arbeit von
     zwei.
    »Vielleicht sollten Sie sich etwas ausruhen?«
    »Oh, nein!« sagt er. »Die Untätigkeit würde meine kleinen Ängste nur verstärken. Ich will lieber noch arbeiten.«
    Er lachte bei den »kleinen Ängsten« kurz auf, als ob sie selbstverständlich wären, und ich frage mich, um was für Ängste es
     sich handeln könnte und warum er sie so abtut. Ist es für |260| einen A normal, in »Ängsten« zu leben? Oder lebt Grabel in einem halb depressiven Zustand, dem er sich anpaßt, auch wenn er
     ihn beschwerlich findet? Ich bin erstaunt: Grabel war sonst weitaus beweglicher und dynamischer als alle anderen A.s, die
     mit uns im Labor arbeiten.
     
    Nachdem ich mich überzeugt habe, daß es den drei Hunden gutgeht, verlasse ich Grabel und begebe mich in mein Arbeitszimmer.
     Ich brauche Burage erst gar nicht zu rufen, sie sitzt schon da und sieht mich nicht ohne Unruhe an.
    »Sind Sie böse, Doktor?«
    »Weil Sie mir die eigentlichen Ziele des
Wir
verheimlicht haben?«
    »Nein, wegen der vielen kleinen Boshaftigkeiten, die ich Ihnen gesagt habe.«
    »Welche?«
    »Alle.«
    »Man kann nicht gerade sagen, daß Sie auf meine Empfindlichkeiten große Rücksicht nehmen.«
    »Oh, Sie geben zu, daß Sie empfindlich sind!«
    »Ja. Sie können diesen Fehler auch noch auf Ihre Liste setzen.«
    »Entschuldigen Sie, Doktor. Ich werde rückfällig. Ich bin sonst nicht so kratzbürstig.« Sie setzt sich an die andere Seite
     meines Schreibtisches und wirft ihr mahagonifarbenes Haar zurück. »Sie müssen wissen, es ist schwer, gleichzeitig so weit
     voneinander entfernt zu leben und so nah …« Sie beendet den Satz nicht.
    »Auch für mich ist das nicht sehr angenehm.«
    Sie richtet sich auf ihrem Stuhl auf, in ihren blauen Augen beginnt es gefährlich zu leuchten.
    »Für Sie ist es nicht dasselbe! Sie kommen auf Ihre Kosten! Zum Beispiel in einer kleinen Hütte im Wald.«
    »Von wem haben Sie diese Information?«
    »Also ist es wahr?« fragt Burage mit geweiteten Pupillen. »Ja.«
    »Die Information habe ich von Rita. Aber es war nur eine Vermutung. ›Ich habe den Eindruck, daß unser kleiner Hengst eine
     ziemlich bewegte Nacht in seiner Hütte verbracht hat‹, sagte Rita.«
    |261| »Danke für den kleinen Hengst. Vielen Dank insbesondere für das ›klein‹. Sie sind in der Wiedergabe verletzender Bemerkungen
     einfach genial.«
    »Bestätigen Sie die bewegte Nacht?«
    »Danke auch für die Falle, die Sie mir gestellt haben. Ich nahm Ihre Gewissensbisse für bare Münze.«
    »Eigentlich sind Sie der Ehemann aller Frauen, Doktor«, sagt sie zischend.
    »Das stimmt überhaupt nicht«, sage ich. »Ich bin kein Don Juan. Ich habe Eileen niemals betrogen …«
    Da ich von Anita nicht das gleiche sagen kann, schweige ich. Burage spürt sofort, daß ich etwas verschweige, ich sehe es an
     ihrem zornigen Blick. Und mir wird schlagartig bewußt, worauf ich mich einlasse: nämlich mein Privatleben vor einer Frau zu
     rechtfertigen, die weder meine Verlobte noch meine Ehefrau ist! Wieder einmal habe ich mich verschaukeln lassen. Burage hat
     meine Vorwürfe ignoriert, und es ist ihr gelungen, mir ihre aufzuzwingen und mich in die Defensive zu treiben. Ich erhebe
     mich mißgestimmt, kehre ihr den Rücken zu und blicke aus dem Fenster.
    Es gibt wenig Erfreuliches zu sehen. Baracken, Stacheldraht, einen Wachtturm. Die ehemals grüne Wiese zwischen den Baracken
     ist niedergetrampelt und hat sich durch Schnee und andauernden Regen in einen schlammigen Weg verwandelt. Grauer Himmel, tiefhängende
     Wolken, feuchtwarme Luft. Man hat den Eindruck, inmitten grauweißer Watte zu leben.
    Ich drehe mich um.
    »Burage, ich bitte Sie, lassen wir das Thema fallen.«
    Brennender Blick.
    »Wie einfach für Sie! Zumal Sie heute abend auch noch Besuch bekommen«
    »Was für Besuch?«
    »Den größten Mund der Vereinigten Staaten!«
    Ich fahre hoch.
    »Wann haben Sie das erfahren?«
    »Heute morgen.«
    Sie hat es also vor mir gewußt! Und von wem? Von einer Telefonistin? Aber kennt die Telefonistin den Zeitpunkt der Durchsuchung?
     Das glaube ich nicht. Alles scheint auf Mrs. Barrow als Antenne des
Wir
in der Verwaltung von Blueville hinzudeuten.
    |262| Ich

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