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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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schaue auf meine Uhr.
    »Schon fünf Minuten, Burage. Wollen wir nicht zu den ernsthaften Dingen übergehen?«
    Sie zuckt bei »ernsthaft« zusammen, doch sie sagt nichts. An ihren Atemzügen, an ihren gesenkten Augen und an der Versteifung
     ihres Nackens kann ich erkennen, daß sie versucht, sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Ich schweige.
    Als sie hochblickt, sehen ihre blauen Augen beunruhigt aus.
    »Doktor«, sagt sie nach einer Weile, »die Entscheidungen, die das
Wir
in bezug auf Ihre Person getroffen hat, werden Ihnen nicht gefallen.«
    »Gut, ich will versuchen, mich zu beherrschen.«
    Sie sieht mich zweifelnd an.
    »Jedenfalls bin ich hier, um den Schock abzufangen«, sagt sie mit einem etwas gezwungenen Lächeln.
    »Ist es so schlimm?«
    »Es ist überhaupt nicht schlimm. Aber es wird Ihnen schwerfallen, diese Verfügungen zu akzeptieren.«
    Schweigen.
    »Soll ich anfangen?« sagt sie, sichtlich verlegen.
    »Aber ja doch«, antworte ich ungeduldig.
    Eine Pause, dann fährt sie mit dumpfer, ein wenig zitternder Stimme fort.
    »Also gut, es wurden zwei Entscheidungen getroffen: die eine betrifft das Serum, die andere Ihr Privatleben.«
    »Das sagten Sie schon.«
    »Mit welcher soll ich anfangen?«
    »Mit dem Serum.«
    Es ist ihr gelungen, ihre Verlegenheit und ihre Bewegung unter Kontrolle zu bekommen und ihr Gesicht undurchdringlich erscheinen
     zu lassen. Aber das kaum merkliche, mir so vertraute Zittern der Ohrringe ist geblieben.
    »Was das Serum anbelangt, wurden zwei Entscheidungen getroffen«, sagt sie in ihrer methodischen Art. »Ad eins: Das
Wir
will nicht, daß Sie es als erster erproben. Ad zwei: Auch wenn das Serum sich als unschädlich erweist, verbietet Ihnen das
Wir
, den Virus der Enzephalitis 16 auf sich selbst zu übertragen.«
    »Aber das ist ja unglaublich!« sage ich, nachdem ich meine Sprache wiedergefunden habe, und stehe auf. »Sind Sie sich |263| darüber im klaren, was das
Wir
von mir verlangt? Eine schamlose Verletzung der Regeln der medizinischen Ethik! Ich als Verantwortlicher für die Forschungsarbeit
     soll anderen das Risiko überlassen, die Ergebnisse zu testen!«
    »Setzen Sie sich, Doktor«, sagt Burage, »und hören Sie mir zu. Das
Wir
weiß sehr wohl, daß es von Ihnen eine Verletzung der herkömmlichen Regeln der medizinischen Ethik verlangt. Aber die Situation
     ist nun einmal nicht herkömmlich. Ihre Forschungsarbeit wird von einer Regierung subventioniert, die keinerlei Interesse an
     einem erfolgreichen Verlauf hat und für die diese Subvention – die sie im übrigen zu streichen beabsichtigt – bisher ein Alibi
     darstellte. Unter diesen Bedingungen, glaubt das
Wir
, bleibt uns die Chance, das Serum eines Tages industriell herstellen zu lassen, nur dann erhalten, wenn wir es heimlich aus
     Blueville herausschmuggeln und nach Kanada schaffen. Sie allein können das machen.«
    »Das kann jeder x-beliebige machen! Pierce! Smith! Grabel!«
    »Irrtum! Alle drei sind völlig unbekannt. Und wer hätte Vertrauen zu einem Serum, das von einem unbekannten Mediziner angeboten
     wird, der ohne Paß nach Kanada kommt? In Ihrem Fall genügt schon Ihr Name, um alle Türen zu öffnen. Der Martinelli-Bericht
     ist in alle Weltsprachen übersetzt worden, und Sie sind nicht nur unter den Spezialisten bekannt, sondern in der Öffentlichkeit.
     Eine Pressekonferenz mit Ihnen im kanadischen Fernsehen wird ein enormes Echo in Kanada, in den Vereinigten Staaten und in
     der ganzen Welt haben.«
    »Mag sein. Ihr Drehbuch läßt sich sehr gut verteidigen. Aber erwarten Sie von mir, daß ich meine Mitarbeiter bitte, für mich
     die Risiken des Serums zu übernehmen? Und schlimmer noch: das Risiko der ersten Virusübertragung?«
    »Sie gehen ganz andere Risiken ein, wenn Sie fliehen!«
    »Ach, weil es so beschlossen worden ist! Unwiderruflich! Ich fliehe! Sagen Sie, Burage, gibt es noch eine Entscheidung, eine
     einzige, die zu treffen das
Wir
mir selbst gestattet?«
    »Hören Sie, Ralph, stecken Sie Ihre Eigenliebe zurück und seien Sie ein wenig realistisch. Wenn das Serum an den Männern erprobt
     sein wird, was bleibt Ihnen dann anderes übrig, als zu fliehen? Wollen Sie zu der guten, menschlichen, entzückenden Helsingforth
     gehen und sagen: Hier ist das Serum, |264| laß es jetzt herstellen? Sie haben doch Phantasie genug, um sich auszumalen, welche Entscheidung sie treffen wird: keine andere,
     als das Serum irgendwo sicherzustellen und Verhandlungen mit Bedford aufzunehmen, um

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