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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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steht mir erneut gegenüber. Ihre Augen blitzen.
    »Los, Ralph, machen Sie nicht so ein Gesicht. Das ist meine Angelegenheit, nicht Ihre.« Sie bläst mit pfiffiger Miene den
     Mund und die Wangen auf. »Wenn es ein Junge ist – wie ich hoffe –, werde ich ihn Michael Bedford Davidson nennen.«
    Sie betont den mittleren Namen, lacht schallend über ihren witzigen Einfall und gibt mir einen kräftigen, militärischen Schlag
     auf den Oberarm. Dann drückt sie mit einer kurzen Bewegung der Schulter das Gewehr noch fester an ihren Rücken und geht forsch
     nach draußen an die Sonne; sie überläßt es mir, die Tür zu verschließen. Als ich mich umdrehe, sehe ich sie auf die Pferdeboxen
     zugehen, den Kopf erhoben und mit herausgedrückten Schultern.
    |315| Wenn der Chef der mit Ihrer Bewachung beauftragten Milizionärinnen Ihre Flucht organisiert, »kann nichts schiefgehen«, hatte
     Jackie gesagt. Diese Flucht war jedenfalls kein Heldenstück, nur hinterher ein gefundenes Fressen für die kanadischen und
     dann die europäischen Journalisten, die in einigen Fällen etliche Zutaten mit ziemlich gestreckter Soße beifügten. Alle Presseleute,
     die mich, vor allem in Europa, ins Kreuzfeuer nahmen, lobten mich einhellig wegen des »Einfalls«, der meine Flucht ermöglichte.
     Beharrlich antwortete ich, daß diese List gar nicht von mir stammte, sondern von Burage. Aber ebenso beharrlich schrieben
     sie mir in ihren Artikeln das Verdienst zu. Ich glaube, aus Bequemlichkeit. Da ich der bekannteste der Flüchtlinge war, fiel
     mir der Ruhm der Flucht zu, wie einem General nach einer Schlacht, die seine Untergebenen gewonnen haben.
    Hier die Wahrheit, ohne das nachträglich hinzugefügte schmückende Beiwerk: Meine Rolle in dieser Angelegenheit beschränkte
     sich darauf, genauestens auszuführen, was man mir befahl. Und alle Verdienste kommen in Wirklichkeit den Frauen zu: Burage,
     die sich besagte List ausdachte, Jackie, die die Einzelheiten organisierte und den Zeitplan aufstellte.
    Selbstverständlich handelt es sich hierbei um die Fluchtmethode, denn das Prinzip war vom Generalstab des
Wir
irgendwo in den Vereinigten Staaten beschlossen worden, nachdem er erfahren hatte, daß die Entwicklung meines Serums vor dem
     Abschluß stand. Aber der Generalstab überließ der örtlichen Ebene einen breiten Spielraum; Details und Zeitpunkt der Flucht
     wurden in Blueville in kleinem Kreis im Verlauf mehrerer Diskussionen beschlossen, von denen keine länger als eine halbe Stunde
     dauerte.
    Als ich Burage später fragte, wo das
Wir
in Blueville einen so sicheren Ort gefunden hatte, um seine Beratungen abzuhalten, antwortete sie mir: im Nichtschwimmerbecken
     des Swimmingpools, wenn die Kinder badeten. Sie machten solchen Krach, daß jegliches Abhören unmöglich war. Worauf sie mich
     mit lächelnden Augen ansah: Du hast bestimmt gedacht, wir würden nur tratschen … Ja, sage ich, nachträglich verlegen. Sie
     lacht: bla, bla, bla.
    »Ja, genau das.«
    Burage lacht wieder.
    |316| »Diesen Eindruck wollten wir absichtlich erwecken. Wir wußten, daß wir noch immer auf die alten sexistischen Reflexe zählen
     konnten. Tatsächlich lieferte unser ›Getratsche‹ Mr. Barrow einen billigen Vorwand, gegen seine Frau zu sticheln.«
    »Wieso? Nahm Mrs. Barrow an euern vertraulichen Beratungen teil?«
    Burage sieht mich mit tanzenden Fünkchen in den Augen an.
    »Mrs. Barrow war der Chef des
Wir
in Blueville.« Sie gewährt sich eine kleine Pause, um mein Erstaunen auszukosten. »Mrs. Barrow hat auch Rita angeworben. Sie
     hatte Rita dabei überrascht, wie sie im Papierkorb ihres Mannes wühlte. Und Rita warb Jackie an, du kennst ja diese Geschichte
     (kurzes Auflachen). Und nach Jackie viele andere. Rita war prädestiniert für diese Arbeit. Erinnerst du dich noch, daß sie
     Puppen herstellte? Nun, sie besaß einen fast unfehlbaren Spürsinn, um unter den alleinstehenden Frauen diejenigen ausfindig
     zu machen, die sich trotz der Bedford-Propaganda ihren Mutterinstinkt bewahrt hatten. Sie schenkte ihnen eine dieser Puppen,
     und wenn die Reaktion positiv war, begann die verbale Annäherung.«
    Innerlich übe ich wieder Selbstkritik. Mir war bekannt, daß es unter den alleinstehenden Frauen aus dem Lager eine »Pup penaffäre « gegeben hatte und daß Mr. Barrow schließlich dieses – ich zitiere – »lächerliche Spiel« verboten hatte. Für mich war das
     – genau wie für ihn, leider – nur eine Lappalie gewesen, der ich

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