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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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haben sich zweimal eingemischt! Jedesmal haben Sie dem,
     was bei ihr weiter nichts als Komödie war, Realität verliehen! Sie hat sich erschossen, weil Sie sie darin bestärkten, daß
     sie es tun würde!«
    Ich bin so empört, daß ich jegliche Vorsicht vergesse. »Sie machen es sich zu bequem!« sage ich heftig. »Sie wälzen Ihre Schuld
     auf mich ab! Sie haben Audrey provoziert! Sie haben sie herausgefordert, gedemütigt, bis zum Äußersten getrieben! Mehr noch:
     Sie haben nicht gezögert, die Position der Waffe auf ihrer Brust zu korrigieren!«
    »Schweigen Sie!« brüllt Helsingforth mit irren Augen. Sie kehrt mir den Rücken und stürzt zu der Stelle hin, wo sich die Blutlache
     ausbreitet.
    Ich begreife erst, als sie sich bückt.
    Alles geht dann sehr schnell. Ich packe den Hocker, auf dem ich eben noch gesessen habe, schwinge ihn mit beiden Händen über
     mir und schmettere ihn ihr mit aller Kraft an den Kopf, als sie sich mit dem Revolver in der Hand aufrichtet. Ich verfehle
     mein Ziel: Sie hat sich mit dem rechten Arm geschützt, der nun leblos herabsinkt. Nackt, wie ich bin, laufe ich in langen
     Sätzen den Swimmingpool entlang dem Ausgang zu. Ein Schuß fällt. Ich bin draußen, ich laufe aus Leibeskräften, folge dem Pfad,
     der zu den Pferdeboxen führt. Ein weiterer Schuß fällt, noch einer. Ich höre hinter mir die schweren Schritte meiner Verfolgerin,
     und vor mir taucht in ungefähr dreißig Metern Entfernung Jackie auf, das Gewehr in der Hand. Sie brüllt: Hinlegen, Doktor!
     Hinlegen! Ich verlasse den Pfad, ducke mich ins Gras, werfe mich auf den Boden. Zwei stärkere Detonationen, dann das dumpfe
     Geräusch eines Sturzes. Es ist zu Ende. Mein Herz schlägt gegen das hohe Gras, in dem ich liege. Ich beginne zu glauben, daß
     ich lebe.

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    |311| FÜNFZEHNTES KAPITEL
    »Ist Ihnen etwas passiert?«
    Ich drehe mich auf den Rücken und sehe Jackie über mich gebeugt, blond und braungebrannt. In ihrer knappsitzenden, beruhigenden
     Uniform sieht sie mich mit angstvollen Augen an, das Gewehr unter dem Arm.
    »Ist Ihnen etwas passiert, Ralph?«
    Ich stehe auf, ich taumele ein wenig.
    »Nein. Ich kann es gar nicht fassen. Ich verstehe nicht, wie Helsingforth mich verfehlen konnte. Eine Frau wie sie müßte doch
     schießen können.«
    »Sie schoß mit der linken Hand und ziemlich unsicher. Trotzdem, ich hatte große Angst. Sie waren in meinem Schußfeld, ich
     konnte Helsingforth nicht anvisieren. Und Audrey?« fragt sie, ihre lebhaften grauen Augen auf das Haus gerichtet.
    »Sie hat sich erschossen.«
    Jackie zieht fragend die Brauen hoch.
    »Aus Eifersucht. Und von Helsingforth angestachelt. Im Namen einer Strategie am Rande des Abgrunds, Sie verstehen.
    »Sie werden mir das alles später erzählen, Doktor«, unterbricht mich Jackie im Befehlston und blickt auf ihre Uhr. »Wir haben
     viel zu tun.«
    Und sofort nimmt sie die Dinge in die Hand, kaltblütig, sachkundig, mit einer Entschiedenheit, die ich bewundere. Ich möchte
     mich nicht allzusehr über die gräßliche Arbeit verbreiten, die wir zu verrichten haben: die beiden Leichen wegtragen – wegziehen,
     was Helsingforth betrifft –, auf einen Holstapel legen und alles in Brand stecken. Von diesem Brandopfer habe ich noch das
     brutzelnde Geräusch im Ohr und den abscheulichen Geruch von verbranntem Fleisch in der Nase. Und ich sehe noch Jackie, wie
     sie mit einer Schaufel in der noch heißen Asche herumwühlt und die Knochen, die den Flammen standhielten, zur Seite legt:
     ein wahrhaft bescheidenes Häuflein, wenn man bedenkt, was für eine Macht Helsingforth zu ihren |312| Lebzeiten ausübte; dann übergießt Jackie diese Überreste mit Benzin und verbrennt sie, bis nichts mehr übrigbleibt.
    Zuletzt müssen noch die Patronenhülsen gesucht und die Blutlache am Rande des Swimmingpools beseitigt werden.
    »Ich kümmere mich darum«, sagt Jackie. »Gehen Sie inzwischen duschen, ziehen Sie sich wieder an und machen Sie uns einen Kaffee.
     Ich schätze, den werde ich nötig haben.«
    Ich habe meine häusliche Arbeit gerade beendet, als Jackie in die Küche zurückkommt und davon spricht, daß zum Glück ein Schlauch
     da war und ein Abfluß in der Nähe. Im selben Augenblick klingelt das Telefon. Nach einem Moment der Ratlosigkeit gibt Jackie
     sich einen Ruck und sagt kurz entschlossen: »Ich gehe ran.«
    Ich folge ihr ins Wohnzimmer, und als sie den Hörer abgenommen hat, greife ich nach dem zweiten Hörer.
    »Leutnant

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