Die geschützten Männer
Milizionärinnen.«
Sie lacht zweideutig. Mutsch ebenfalls. Sie sehen erst sich und dann mich belustigt und voller Sympathie an. Und unter ihrem
Lachen und ihren Blicken komme ich mir vor wie Charlie in
Goldrausch
, komisch und rührend.
Undankbar, wie ich bin, verlasse ich die beiden ziemlich unvermittelt. Vielleicht hat mich meine geringe Körpergröße empfindlich
gemacht, aber ich vertrage es nicht, wenn man sich über mich lustig macht, nicht einmal in aller Freundschaft. Ich schätze
die beiden sehr, doch gehen sie mir etwas auf die Nerven. Sie sind immer so selbstsicher. Die eine mit ihren schlagartigen
Eingebungen, die sie nicht erklärt, und die andere, weil sie immer zuviel erklärt. Vor allem weiß ich, über was oder vielmehr
über wen sie jetzt sprechen und wie sie mich wegen meiner Verlassenheit bedauern werden. Ich weiß, was ich von Anitas langem
Ausbleiben und von ihren seltenen Briefen zu halten habe, aber ich mag es nicht, daß sie kritisiert wird und man mich bedauert.
Jackie und Pussy müssen die von Stien vorgeschlagene stillschweigende Abmachung akzeptiert und den Zwischenfall verheimlicht
oder bagatellisiert haben, denn keiner von uns, nicht einmal Jespersen, hat von Mr. Barrow eine Mitteilung über die sonst
üblichen Abzüge vom Monatsgehalt bekommen. Pussy wurde gegen ein großes, braunes, unbeholfenes, vierschrötiges und ebenso
kaltes Mädchen ausgetauscht, ansonsten hat sich an unseren Sonntagnachmittagsausflügen nichts geändert. Es ist seltsam, aber
Pussy, die mir nicht den geringsten Blick, nicht das leiseste Lächeln gewährte, fehlt mir. Wie sie sich auch verhalten haben
mochte, sie hatte mir wenigstens etwas gegeben: das Vergnügen, sie anzusehen.
Als wir die Berge erreicht haben, drehe ich mich um, bringe Schuschka zum Stehen, warte auf die Kosakengarde und frage |89| Jackie völlig ungezwungen, wie es Pussy geht. Sie ist von meiner Kühnheit so überrascht, außerdem wegen der stillschweigenden
Übereinkunft mit uns so verlegen und von der erstaunlichen Tatsache, daß ich Pussy behandelt habe, so verwirrt, daß sie eine
Antwort gibt.
»Pussy wird ihren Dienst nächste Woche wiederaufnehmen.«
Als ich Jess und Stien einhole, fängt Jess an zu singen. Wir sind auf diese Methode verfallen, um die Abhörgeräte der Kosakengarde
zu stören. Bei meinem Bericht über das Gespräch mit Jackie zuckt Stien die Achseln, schüttelt seinen ergrauten Kopf und brummt:
»Was schert Sie dieses Mädchen?« Worauf ich entgegne: »Schließlich ist sie meine Patientin.« Was mir einen hämischen Seitenblick
einbringt. Dennoch ist Stien zufrieden. »Jetzt werden sie nicht umhinkönnen, mit uns zu reden«, sagt er.
Und als wir am nächsten Sonntag im Wald sind, lassen wir uns absichtlich von der Kosakengarde einholen. Stien pflanzt sich
vor Pussy auf, sieht ihr ins Gesicht und fragt anklagend: »Hatten Sie die Absicht, Dr. Jespersen zu erschießen, als Sie auf
ihn anlegten?«
Pussy wird puterrot und antwortet mit zitternder Stimme: »Ich habe nicht auf ihn angelegt! Ich wollte in die Luft schießen.
An allem, was passierte, ist Dr. Martinelli schuld. Er hat Schuschka gegen mein Pferd gedrängt.«
»Woher sollte ich wissen, daß Sie Jespersen nicht töten würden?« erwidere ich knapp. »Sie sind uns gegenüber immer so voller
Haß.«
Ihr Blick wird unsicher, aber sie weicht mir nicht aus.
»Wir sind nicht voller Haß«, sagt sie abwehrend. »Wir richten uns nach den Anweisungen.«
»Genug gesprochen!« sagt Jackie laut.
Ich sehe sie wütend an und frage: »Verbieten Ihnen die Anweisungen auch, mit uns zu sprechen? Was sind wir denn in Ihren Augen?
Ungeheuer? Parias? Verbrecher?«
Dieser unerwartete Angriff bringt sie aus der Fassung, und ich nutze die Gelegenheit.
»Sie haben die Stirn zu behaupten, daß Sie uns nicht hassen«, sage ich zu Pussy, »aber Sie haben mir nicht einmal für die
Behandlung gedankt.«
|90| »Vielleicht sollte ich mich noch dafür bedanken, daß Sie mich vom Pferd gestoßen haben!«
»Sie wissen genau, daß das nicht meine Absicht war. Und Sie vergessen, daß Mr. Barrow Sie hätte in die Stadt bringen müssen,
wäre ich nicht zur Stelle gewesen. Zweihundert Kilometer im Auto! Drei Stunden unterwegs! Sie hätten die Entfernung gespürt!«
»Also dann, danke schön«, sagt Pussy wütend, ohne jedoch die Augen zu senken. Eine volle Sekunde begegnen sich unsere Blicke.
»Jetzt aber genug!« brüllt Jackie. »Ich
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