Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
Einführung des männlichen Gliedes in die Vagina« (sic).
    Hier muß man ohne Zweifel – ich zitiere – »bei einem Geschlecht, das dem Symbol seiner Unterdrückung am Ende magischen Wert
     zuschrieb, verwurzelte Gewohnheiten und jahrtausendealten Aberglauben« in Rechnung stellen.
    |111| Wie dem auch sei, es dauerte nicht lange, bis die weibliche Unterwelt in der ungesetzlichen Herstellung phallischer Artikel
     eine Quelle riesiger Profite entdeckte; die raffiniertesten wurden auf dem Schwarzmarkt bald zu beträchtlichen Preisen gehandelt.
    Laut Deborah Grimm fand die Polizei vor kurzem bei der Durchsuchung des Kellers einer kleinen Gummifabrik in einer Schachtel
     einen gefalteten Gegenstand von geringer Größe. Das Etikett trug die harmlose Bezeichnung
Superdoll
. Doch wenn
Superdoll
mit Hilfe einer Luftpumpe aufgeblasen wurde, nahm er das Aussehen und beinahe die Konsistenz eines gutgewachsenen nackten
     Mannes mit leicht geschwelltem Penis an. Auf dem Rücken dieses
Mannes
befand sich zwischen den Schulterblättern im Griffbereich der ihn umarmenden Benutzerin eine Tastatur, welche die Steife und
     die zusätzliche Schwellung des Penis, seine Verwendung als Massagegerät mit zwei Geschwindigkeiten und das ruckweise Ausstoßen
     einer warmen, klebrigen Flüssigkeit steuerte.
    Der Fabrikabgabepreis von
Superdoll
betrug achthundert Dollar, und die Puppe wurde im Versandhandel mit Kreditmöglichkeiten verkauft. Die Untersuchung ergab,
     daß sich ein illegaler Händlerring an den normalen Vertrieb von
Superdoll
angehängt hatte und im Hausverkauf das Stück zu eintausend Dollar anbot. Diese Straßenhändler hatten offensichtlich beim Versandhandel
     umfangreiche Ankäufe getätigt und Lagerbestände angelegt, denn als die Fabrik geschlossen wurde, blieben die
Superdolls
auf dem Markt; sie wurden von Tür zu Tür für zweitausend Dollar in bar ohne Garantie für Ersatzteile angeboten.
    Die Herstellerin und die Händlerinnen dieses »widerlichen Spielzeugs« (sic) wurden zur Rechenschaft gezogen, nicht aber die
     Benutzerinnen, deren Namen und Adressen man ja besaß (zumindest von denen, die
Superdoll
über den Versandhandel gekauft hatten). Der Generalbundesanwalt meinte, in diesen Fällen liege kein Verbrechen, sondern nur
     eine unmoralische Handlung vor, weil ja ausgeschlossen war, daß »diese Handlung auf gesellschaftlicher Ebene unangenehme Folgen
     nach sich ziehen könnte« 1 .
    |112| Dagegen zeigte sich der Generalbundesanwalt viel unerbittlicher, wenn es sich um Aktivitäten handelte, die »die Anwesenheit
     und Beteiligung eines potenten Mannes« einschlossen. Aus dieser Kategorie sind die PMs auszuklammern, die sich auf Grund ihrer
     wissenschaftlichen oder ökonomischen Bedeutung in
Schutzzonen
aufhalten und als ungefährlich gelten können, weil sie unter ständiger Überwachung stehen. Die SPMs
(self-protected men)
verursachen ebensowenig Sorge. Im allgemeinen handelt es sich um Millionäre, die sofort nach der Ausbreitung der Epidemie
     in ihren Ranches Zuflucht suchten und dort den Selbstschutz organisierten: Sie entließen ihre männlichen Mitarbeiter oder
     verlangten von ihnen, sich der Kastrationsweihe zu unterziehen.
    Übrig blieb eine Kategorie, die die Miliz bald vor ernsthafte Probleme stellte: die Einzelgänger oder »Hirsche«
(stags)
, wie sie dann im Polizeijargon hießen.
    An diesem Abend konnte ich Deborah Grimms Aufsatz nicht weiterlesen; in meinem Zimmer ging das Licht aus. Seltsamerweise fühlte
     ich mich im ersten Augenblick genauso schuldig wie ein pubertierender Knabe, der bei der heimlichen Lektüre eines verbotenen
     Buches ertappt wird. Ich brauchte eine Weile, um mir darüber klarzuwerden, daß man mich nicht bestrafte, sondern daß es zehn
     Uhr war, daß ich mich also von der Ausgangssperre hatte überraschen lassen. Ich zog mich aus, das Dunkel des Zimmers wurde
     trotz der dichten Vorhänge in regelmäßigen Abständen vom Scheinwerfer des Wachtturms zerrissen. Als ich den Pyjama anhatte,
     schob ich die Zeitschrift unter mein Kissen und machte kurz meine Taschenlampe an (es war meine letzte Batterie, und ich ging
     sparsam mit ihr um), um den Wecker auf halb sechs zu stellen.
    Ich schlief schlecht. Ich hatte Deborah Grimms Artikel mit tiefem Unbehagen gelesen. Der fanatische, repressive Charakter
     der Gesellschaft, den sie beschrieb, flößte mir Entsetzen ein. Ich fand darin nicht nur bestätigt, daß die PMs tatsächlich
     Gefangene waren, die durch strenge

Weitere Kostenlose Bücher