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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Kontrolle »unschädlich« gemacht wurden; mir drängte sich auch die Feststellung auf, daß
     in der Welt draußen der Mann völlig negativ dargestellt wurde und daß die Beziehungen zwischen den Geschlechtern als so verwerflich
     galten, daß selbst ihr Trugbild für ein Verbrechen gehalten wurde.
    |113| Obwohl mich diese Lektüre sehr bedrückte, fragte ich mich insgeheim nach der Identität jener Milizionärin, die Joan Pierce
     als »Außenseiter« bezeichnet hatte und die ein Spielzeug benutzte, das sich vom
Superdoll
vermutlich kaum unterschied. Joan hatte bestätigt, daß es sich nicht um Pussy handelte, aber ich stellte mir die Frage, ob
     ich ihr glauben durfte und ob ihre Behauptung nicht den Zweck hatte, meinen Träumen einen Dämpfer aufzusetzen. Auf keinen
     Fall hatte sie damit Erfolg, zumindest nicht, was die nächtlichen Träume betraf. Diesmal plagten sie mich bis zum Morgengrauen;
     furchterregende Situationen (Reverend Ruth Jettison zwang mich, das
Caladium seguinum
zu trinken) wechselten mit erotischen, in denen bald Anita meine Partnerin war, bald eine Frau, die es zuwege brachte, gleichzeitig
     Pussy, Jackie und Mrs. Barrow zu ähneln.
    Ich fuhr entsetzt hoch, als der Wecker klingelte, und war schweißgebadet. Ich nahm eine Dusche, streifte meinen dicken Morgenmantel
     über und setzte mich bei aufgezogenen Vorhängen an meinen Tisch. Bevor Dave aufstand, hatte ich eine gute Stunde für mich,
     um Deborah Grimms ausführlichen Artikel zu lesen.
    Wenn es auch unglaubwürdig scheint – meine turbulente Nacht hatte mich trotz alledem gestärkt, an diesem Morgen fühlte ich
     mich optimistischer. Ich wurde gewahr, daß Deborah Grimms Aufsatz genaugenommen das Eingeständnis einer Niederlage war und
     daß sich die neuen Tabus tatsächlich nur schwer durchzusetzen vermochten. Diese Feststellung gab mir wieder Mut, und ich fuhr
     leichteren Herzens in meiner Lektüre fort, wobei ich es sogar fertigbrachte, an einigen Stellen zu lachen. Obwohl bei Deborah
     Grimm kein Funken Humor zu finden war, wirkte der Gegensatz zwischen ihrem gehobenen, überaus moralisierenden Ton und den
     Ungeheuerlichkeiten, die sie mit größter Selbstverständlichkeit darlegte, bisweilen komisch. Aber diese Wirkung war nicht
     ungetrübt. Ich empfand dabei gleichzeitig Empörung und Ekel.
    Ich gebe wieder nur eine gedrängte Zusammenfassung von Deborah Grimms Artikel, ausführlich zitiere ich nur die bemerkenswertesten
     Sätze.
     
    Die »Hirsche« sind junge Männer, die auf Grund der sich ausbreitenden Epidemie ihre Arbeit aufgegeben, die Städte verlassen |114| haben, sich auf dem Lande herumtreiben und von Plünderungen leben, fuhr Deborah Grimm fort. Anfangs neigten sie dazu, Banden
     zu bilden; weil aber die Mitglieder ohne Vorsichtsmaßnahmen rekrutiert wurden, erkrankten ganze Banden an der Enzephalitis
     16 und fielen auseinander. Die Überlebenden zogen die Lehre aus dieser Erfahrung und leben jetzt einzeln. Sie nähern sich
     nur den Frauen und den Trägern des grünen Abzeichens, »meist um sie zu berauben« 1 .
    Unter diesen Hirschen, die auf dem Lande ein unsicheres Dasein führen, von den Milizionärinnen streng verfolgt, rekrutiert
     die weibliche Unterwelt die männlichen Prostituierten, die den Appetit ihrer reichen Kundinnen stillen sollen. Die Verfolgung
     erwies sich von Anfang an als sehr schwierig, weil die Hirsche auf dem Lande über eine große Zahl von Privathäusern verstreut
     sind, die für jeweils eine Nacht Zimmer an Touristen vermieten. Für diese luxuriösen Zimmer werden so unerschwingliche Preise
     verlangt, daß eine nicht der Verfolgung ausgesetzte Person sie niemals zahlen würde.
    Der Schein ist so perfekt wie trügerisch. Der Hirsch, der eine weiße Jacke mit einem grünen Abzeichen trägt, ist als Barkeeper
     oder Etagenkellner tätig und weist jegliches Trinkgeld zurück, was immer man von ihm verlangt. Das Verbrechen der Prostitution
     ist also nicht nachweisbar, zumal der Hirsch, stets sehr gewandt, sich nie aufdrängt. Er beschränkt sich darauf, den Initiativen
     der Kundinnen keinen Widerstand entgegenzusetzen.
    Um diesen Häusern und ihren Inhaberinnen nachgehen zu können, muß man den Kundinnen die Möglichkeit verschaffen, über ihre
     Beziehungen zu den Hirschen auszusagen. Deshalb hat man beschlossen, ihnen in gewissen Grenzen Straffreiheit zuzusichern.
     Es handelt sich übrigens in den meisten Fällen um reiche Witwen mittleren Alters.
    Nachdem sie »im Verlauf einer

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