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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Gesetzes Mrs. Burage. Sie hat darüber nie eine Bemerkung gemacht, während
     Mr. Barrow das als »Taktlosig keit « auslegte. Aber warum zum Teufel soll ich dann Barrow Mr. Barrow nennen? Was bedeutet dieses unangebrachte Festhalten an
     Geschlechtsmerkmalen, die im vorliegenden Falle doppelt liquidiert wurden?
    »Mrs. Burage, Sie wollten etwas sagen?« frage ich.
    »Ja, Doktor.«
    Blick und Ton sind korrekt und kalt. Ich fühle, daß sie mir meine eisige Höflichkeit mit Zinseszins zurückzahlen wird. Ich
     warte ab. Ich empfinde eine heimliche Sympathie für Lia Burage, einmal wegen dieses Ringes, den zu behalten sie den Mut hatte,
     und weil ihr mahagonifarbenes Haar mich an Anita erinnert. Sie hat den gleichen hellen Teint, die gleiche unverkennbar weibliche
     Figur. Ihre Augen sind aber nicht grün, sondern blau. Es ist ein klares Blau, das sie weder bewußt hervorkehrt noch hinter
     koketten Wimpern verbirgt. Ganz im Gegenteil. Ihr Blick sucht kampflustig die Augen des Gegners, zückt das Schwert und stößt
     zu.
    »Ich streite nicht die Fehler ab«, sagt sie kurz angebunden, »aber das Gewicht, das Sie ihnen geben.«
    Gut. Auch für mich ist der Augenblick gekommen, die Karten auf den Tisch zu legen. In der Nacht hatte ich beschlossen, nicht
     noch einmal so unehrlich zu sein wie in meinem schriftlichen Bericht.
    |126| »Sie haben recht, die Fehler sind unerheblich«, sage ich gleichmütig. »Unter anderen Bedingungen hätte ich kein Wort darüber
     verloren.«
    Die Augen weiten sich vor Staunen, die größten Augen macht Lia Burage. Während sie sich auf ein verbissenes Gefecht mit mir
     eingestellt hatte, sieht sie mich mit gesenkter Klinge und entblößter Brust auf sich zukommen. Ihre Haltung ehrt sie: sie
     zögert zuzuschlagen.
    »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, wirft Crawford ein.
    »Was verstehen Sie nicht?« frage ich ruhig.
    »Daß Sie das Bedürfnis hatten, über diese Lappalien eine Meldung zu machen.«
    Elizabeth Crawford ist eine witzige, spritzige kleine Brünette, weniger besonnen als Lia Burage. Aber ihre berufliche Qualifikation
     ist über jeden Zweifel erhaben. Sie hat völlig recht, wenn sie in ihrem Fall von Lappalien spricht. Ich will mich über den
     Begriff nicht streiten.
    Ruhig und gelassen berichte ich, daß ich von Hilda Helsingforth kurz hintereinander zwei Briefe bekommen habe, die meine Haltung
     zu den Frauen und den A.s aus dem Labor kritisieren; daß ich von Mr. Barrow erfahren habe, daß ihm eine schriftliche Beschwerde
     über mich zugeleitet worden ist; daß ich aber weder weiß, wer die Beschwerde verfaßt hat, noch was mir zur Last gelegt wird.
    Mein Tonfall ist nicht bitter. Ich beschuldige niemand. Ich stelle fest. Fakten. Nur Fakten: ohne Zweifel befindet sich in
     meinem Büro eine Abhöranlage.
    Daraufhin schweige ich und lasse meinen Blick in die Runde schweifen. Mein Schweigen zwingt Lia Burage, aufs neue das Wort
     zu ergreifen. Aber sie tut es schweren Herzens, das sehe ich ihren Augen an.
    »Dann haben Sie Ihren Bericht aus Rache geschrieben?«
    »Dieses Wort scheint mir dem Sachverhalt nicht zu entsprechen. Jeder weiß, daß ich hier besonders verwundbar bin. Ich würde
     deshalb sagen, daß ich meinen Bericht aus der Verteidigung heraus geschrieben habe.«
    Schweigen.
    »Doktor, wäre es nicht einfacher gewesen, uns selbst zu sagen, was Sie uns vorzuwerfen haben, anstatt an Mr. Barrow zu schreiben?«
     fährt Mrs. Burage fort.
    |127| »Sie haben recht, Mrs. Burage, das wäre einfacher, normaler, kameradschaftlicher und anständiger gewesen. Aber ich kann mit
     gleichem Recht fragen, warum der Verfasser des Berichts über mich seine Beschwerde an Mr. Barrow übergeben hat, anstatt sie
     mir persönlich vorzutragen.«
    Lia Burage wird puterrot. Da kommt ihr Crawford zu Hilfe. Sie spricht ohne Härte, sogar mit einer gewissen Zurückhaltung,
     um nicht zu sagen: mit Sympathie.
    »Doktor, ich muß gestehen, Sie machten nicht gerade den Eindruck, sehr zugänglich zu sein.«
    »Sie machten nicht«: dieses Imperfekt bereitet mir große Freude. Jetzt ist vielleicht der Augenblick gekommen, den berühmten
     italienischen Charme ins Spiel zu bringen. Ich mag das nicht, nach meiner Meinung wirkt es irgendwie nuttig, doch ist das
     nicht letzten Endes die Waffe des Schwachen?
    Ich lächle Crawford so sanft wie möglich an.
    »Sie wollen sagen, daß ich schroff, arrogant und autoritär bin?«
    »So ungefähr«, sagt Crawford.
    Ich lache, und Crawford lacht mit.

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