Die geschützten Männer
sein
werden. Welch schöne Rasse wird das sein! Und unter welch klinischen Bedingungen wird sie leben! Der neueste Geniestreich
unserer Zivilisation: der sexuelle Instinkt ist endgültig unter Kontrolle gebracht.
Ich höre ein Geräusch aus Daves Zimmer. Ich bleibe stehen, halte den Atem an und horche. Nein, nichts. Armer Dave. Er ist
zwölf Jahre alt. Er weiß nicht, wie altmodisch er bereits ist.
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|147| SIEBENTES KAPITEL
Anita kommt Mittwoch abend in dem Augenblick an, als ich gerade mit Dave in die Cafeteria gehen will. Sie ist bleich, müde,
abgespannt. Sie gibt mir einen flüchtigen Kuß, winkt Dave von weitem zu, sagt beiläufig, daß sie vor Hunger sterbe, aber vorher
ein Bad nehmen und sich umziehen möchte. Daraufhin schließt sie sich mit ihrem Koffer im Bad ein.
Die Begrüßung hat höchstens drei Minuten gedauert. Das ist wenig nach einer Trennung von anderthalb Monaten. Ich rufe Mr.
Barrow an, um ihn zu fragen, ob ich Anita in die Cafeteria mitbringen darf. Aber mit Vergnügen, Doktor, sagt er mit seiner
sanften und gleichzeitig harten Stimme, Kate und ich werden uns sehr freuen, sie an unserem Tisch zu begrüßen (eine Pause),
Sie selbst natürlich auch (das in flüchtigem und nachlässigem Tonfall). Ich nehme an, Dave zieht es vor, am Tisch seiner kleinen
Freunde Platz zu nehmen. (Und wie! haucht Dave, der den Hörer genommen hat.)
Dann lege ich auf und warte, und Dave wartet auch, wir sitzen beide schweigend da. Hin und wieder treffen sich unsere Blicke,
dann schaut er weg. Ich weiß ganz genau, was in ihm vorgeht. Er hat schon gespürt, wie sehr mich dieser erste Kontakt enttäuscht
hat; es belastet ihn meinetwegen, er selbst ist zufrieden.
Anita muß durch die Berührung mit dem Wasser wie Venus eine Wiedergeburt erlebt haben. Eine kleine Pause auf der Schwelle,
um sich bewundern zu lassen. Herrliches mahagonifarbenes Haar, das sich wellig um den zierlichen und kräftigen Hals schmiegt,
nur ein Hauch Schminke auf den Lippen und ein feiner Lidstrich um die grünen Augen, ein einziges, aber wertvolles Schmuckstück:
eine goldene Halskette, die ihren hellen Teint zur Geltung bringt. Und ein schlichtes schwarzes Kleid, das ihr gut steht und
sicher ein Vermögen gekostet hat, bringt alles durch seine Einfachheit zur vollen Wirkung. Selbstsicher steht sie vor uns,
in einer mir bis dahin unbekannten Haltung, so |148| als käme zum Bewußtsein ihrer Schönheit jetzt noch die Bedeutung ihrer Funktionen.
Ich ringe mir ein Kompliment ab. Und Dave schweigt. Sie übergeht diesen kühlen Empfang und verkündet mit stolzer Miene, Hunger
zu haben, als ob ihr Hunger höher zu bewerten wäre als unserer. Majestätisch zieht sie uns in die Cafeteria hinter sich her.
Sie geht so schnell, daß Dave und ich mit ihr kaum Schritt halten können.
Sie kommt mit einer guten Kopflänge Vorsprung in der Cafeteria des Schlosses an und erregt natürlich in dem vollen Saal großes
Aufsehen. Jeder weiß, wer Martinelli ist (ich spreche von ihr, nicht von mir), welche hohen Funktionen sie bekleidet, wie
selten sie hier erscheint und welche Hochachtung Mr. Barrow ihr bezeigt. Da ist er auch schon, er hat sich erhoben, kommt
heran, seinen Schmerbauch vor sich herschiebend, den kahlen Schädel vorgebeugt und mit einem vor Respekt leuchtenden Gesicht.
Da er sehr groß ist und Anita nur mittelgroß, sackt er vor ihr zusammen, wird rund, rollt sich zusammen und überhäuft sie
mit seinen schmierigen Liebenswürdigkeiten.
Anita nimmt diese Ehrenbezeigungen gelassen auf. Sie läßt sich wie alle anderen ein Tablett geben, auf das dann die Serviererin
am Schalter die Gerichte stellt. Während ich ihr bescheiden folge, begibt sie sich an den reservierten Tisch und lächelt huldvoll
nach links und nach rechts, die vollendete Politikerin. Dave verläßt uns, und ich werde zwischen Anita und Kate Barrow gesetzt.
Ich brauche mich bei der Unterhaltung nicht zu verausgaben. Mr. Barrow hat nur Augen und Ohren für meine Frau. Mrs. Barrow
wagt mich weder anzusprechen noch anzusehen. Auf jeden Fall ist Anita der große Mann. Ich bin Begleitperson und zähle nicht.
Ich möchte jedoch, daß Anita von Zeit zu Zeit das Wort an mich richtet und mir zulächelt, wenigstens damit die Form gewahrt
bleibt. Sie macht keine Anstalten dazu, vielleicht weil sie sich befangen fühlt wegen der allgemeinen Verlegenheit, die meine
Gegenwart an ihrer Seite am Tisch auslöst, vielleicht auch
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