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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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ergänzte, von welcher uns nur die beiden letzten Zeilen noch übrig sind. Wir ersuchen alle Gelehrte, darüber nachzusinnen und zu erwägen, ob nicht der Verfasser vielleicht diese Lücke vorsetzlich gelassen habe; weil er nicht zufrieden mit dem war, was er gesagt hatte und nichts Besseres zu sagen wußte. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
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    »Meinem Nebenbuhler, sagt man, würden jenseits der Alpen Altäre errichtet. Ach, gäbe es keinen Mirolo, mir errichtete die gesamte Welt welche!«
    Mangogul kehrte sogleich zum Harem zurück und wiederholte der Favorite die Klage des Kleinods der Callipigia, Wort für Wort; denn er hatte ein bewundernswürdiges Gedächtnis. »Sie haben jetzt gewonnen Spiel, Madam,« sagte er, »ich überlasse Ihnen alles, und Sie können sich bei Callipigia dafür bedanken, sobald Sie es für gut halten.«
    »Gnädigster Herr,« antwortete Mirzoza ernsthaft, »nur der bewährten Tugend will ich meinen Gewinn verdanken und nicht …«
    »Aber Madam,« versetzte der Sultan, »welche Tugend ist mehr bewährt, als die den Feind so in der Nähe erblickte?«
    »Ich weiß, was ich sage, Fürst,« antwortete die Favorite. »Da sind Selim und Bloculocus; sie mögen entscheiden.«
    Selim und Bloculocus nämlich traten gerade hinein. Mangogul legte ihnen den Fall vor, und sie stimmten beide für die Meinung der Favorite.
    »Edler Herr,« sprach die Favorite zu Bloculocus, »Sie müssen mir noch einen Gefallen erweisen. In der letzten Nacht sind mir eine Menge merkwürdige Dinge durch meinen Kopf gegangen. Es war ein Traum, aber, Gott weiß, welch ein Traum! Man versichert mir, Sie wären der erste Traumdeuter von Congo. Sagen Sie mir also geschwind, was dieser bedeutet!« und sogleich erzählte sie ihren Traum.
    »Madam,« antwortete Bloculocus, »ich verstehe mich leider nur schlecht auf die Oneirokritik.«
    »O, verschonen Sie mich gefälligst mit allen Kunstworten!« rief die Favorite. »Lassen Sie die Wissenschaft beiseite und reden Sie vernünftig.«
    »Wie Ihro Gnaden befehlen,« antwortete Bloculocus. »Ich habe einige sonderbare Vermutungen über die Träume; ihnen allein verdank’ ich vielleicht die Ehre, Sie zu unterhalten und den Beinamen ›Sonderbarer Schwärmer‹. Diese Vermutungen will ich Ihro Gnaden so deutlich darzulegen suchen als möglich.
    Ihro Gnaden wissen,« fuhr er fort, »was die meisten Philosophen und die Leute, die ihnen nachsprechen, darüber auskramen. ›Die Gegenstände,‹ sagen sie, ›die uns bei Tage besonders aufgefallen sind, beschäftigen unsere Seele auch in der Nacht. Die Spuren, die sie beim Wachen den Fasern unseres Gehirns eindrücken, dauern fort. Die Lebensgeister sind gewohnt, sich an gewisse Orte zu begeben, und folgen der Bahn, die ihnen geläufig ist. Daher entstehen die unwillkürlichen, angenehmen oder unangenehmen Vorstellungen.‹ Diesem System zufolge sollte man glauben, ein begünstigter Liebhaber müsse auch durch seine Träume gut bedient werden. Doch trifft es sich zuweilen, daß eine Person, die im Wachen nicht unmenschlich gegen ihn ist, ihn im Schlafe behandelt wie einen Neger, oder daß er statt eines reizenden Frauenzimmers ein kleines ungestaltes Ungeheuerchen in seinen Armen hält.«
    »So ging es mir gerade in vergangener Nacht,« unterbrach ihn Mangogul. »Denn ich träume beinahe jede Nacht. Das ist eine Familienkrankheit; wir träumen alle von Vater auf Sohn, seit dem Sultan Togrul, der ums Jahr 743500000002 zuerst zu träumen anfing. Nun, vergangene Nacht sah ich Sie, Madam,« sprach er zur Favorite. »Es waren Ihre Hand, Ihre Arme, Ihr Busen, Ihr Hals, Ihre Schultern, dieses feste Fleisch, dieser schlanke Wuchs, diese unvergleichliche Rundung, kurz, Sie selbst waren es; nur daß statt des reizenden Gesichts, statt des anbetungswürdigen Kopfes, den ich suchte, ich mit der Nase an die Schnauze eines Möpschens stieß.
    Ich fing schrecklich an zu schreien. Kotulk, mein Kammerherr, lief herbei und fragte, was mir fehlte. ›Mirzoza‹, antwortete ich ihm im Halbschlaf, ›hat die scheußlichste Verwandlung erlitten. Sie ist ein Mops geworden.‹ Kotulk fand nicht für gut, mich vollends munter zu machen, ging wieder zurück, und ich schlief wieder ein. Aber das kann ich Ihnen versichern, ich erkannte Sie ganz genau. Sie, Ihren Körper und den Hundskopf. Wird mir

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