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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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überzeugen, verbannte ich mich aus der Gesellschaft und sah keine Dame sonst, als die ich von ungefähr bei ihr antraf. Dieses Betragen schien Eindruck auf sie zu machen und ihre anfängliche Strenge ein wenig herabzustimmen. Ich verdoppelte meine Bemühungen, ich bat um Liebe, man gewährte mir Achtung. Cydalise fing an, mich auszuzeichnen, ich hatte teil an ihrem Vertrauen, sie zog mich oft bei Familienangelegenheiten zu Rate, aber über Herzensangelegenheiten sprach sie kein Wort. Redete ich von Gefühlen, so sprach sie mir von Grundsätzen, und ich war untröstlich. Dieser peinliche Zustand hatte lange gedauert, als ich den Entschluß faßte, damit ein Ende zu machen und ein für allemal zu erfahren, woran ich wäre.« »Wie fingen Sie das an?« fragte Mirzoza. »Das werden Sie gleich hören, Madam,« antwortete Mangogul. Und Selim fuhr fort:
    »Ich sagte Euer Gnaden, daß ich Cydalise täglich sah. Von nun an sah ich sie etwas weniger, dann wurden meine Besuche noch seltener, endlich kam ich fast gar nicht mehr zu ihr. Wenn ich sie bisweilen unter vier Augen sah, sprach ich ihr so wenig von Liebe vor, als hätt’ ich nie den geringsten Funken davon gespürt. Diese Veränderung befremdete sie. Sie argwöhnte, ich hätte eine heimliche Verpflichtung, und eines Tages, da ich ihr die galante Geschichte des Hofes mitteilte,« sagte sie mit einem zerstreuten Gesicht: »Selim, Sie erzählen mir nichts von sich selbst. Sie erzählen wunderbar von anderer Leute Glück, aber mit dem Ihrigen sind Sie sehr zurückhaltend.« »Gnädige Frau,« antwortete ich, »das kommt wahrscheinlich daher, weil ich nicht glücklich bin oder weil ich glaubte, es schicke sich besser, zu schweigen.« »O ja,« unterbrach sie mich, »es schickt sich gar wohl, daß Sie mir heute Dinge verhehlen, die morgen die ganze Welt weiß.« »Das muß ich mir gefallen lassen, gnädige Frau,« versetzte ich, »wenn sie nur niemand von mir erfährt.« »Wahrlich,« erwiderte sie, »dieses Geheimtun steht Ihnen sehr gut. Weiß man denn nicht, daß Sie auf die blonde Missis, die kleine Zibeline, die braune Sefere Absichten haben?« »Auf wen Sie wollen, gnädige Frau,« fügte ich kühl hinzu. »Wahrhaftig,« sagte sie, »ich glaube gern, daß das nicht die einzigen sind. Seit den zwei Monaten, die Sie sich nur aus Gnade und Barmherzigkeit zeigen, sind Sie gewiß nicht untätig geblieben, und mit solchen Damen geht’s geschwind.« »Ich untätig bleiben?« sagte ich, »das hätte mich zur Verzweiflung gebracht. Mein Herz ist geschaffen, um zu lieben, vielleicht sogar, um ein wenig geliebt zu werden, und ich gestehe Ihnen auch, ich bin es. Aber fragen Sie mich nicht weiter. Vielleicht sagt’ ich schon zuviel.«
    »Selim,« antwortete sie ernsthaft, »ich habe keine Geheimnisse Ihnen gegenüber, Sie sollten auch keine mir gegenüber haben. Wie weit sind Sie gekommen?« – »Beinahe bis zum Schluß des Romans.« – »Und mit wem?« fragte sie eifrig. – »Kennen Sie Marteza?« – »Ja, gewiß; es ist eine sehr liebenswürdige Frau.« – »Nun wohl, nachdem ich alles vergeblich aufbot, Ihnen zu gefallen, hab’ ich meine Wünsche an die gerichtet. Man hatte seit einem halben Jahre Sehnsucht nach mir. Zwei Zusammenkünfte bahnten mir den Weg, die dritte wird mein Glück vollkommen machen, und Marteza erwartet mich heute zum Nachtessen. Sie ist unterhaltend, ungezwungen, ein wenig ironisch, aber übrigens die gutherzigste Seele von der Welt. Man steht sich besser bei solchen närrischen Dingen, als bei den zugeknöpften Herrschaften, die …« »Aber mein Herr,« unterbrach mich Cydalise mit niedergeschlagenen Augen, »so sehr ich Ihnen zu Ihrer Wahl Glück wünsche, darf ich wohl bemerken, daß Marteza nicht ganz neu ist und schon vor Ihnen Liebhaber hatte?« … »Was liegt daran, gnädige Frau?« war meine Antwort; »wenn Marteza mich aufrichtig liebt, so werde ich mich für den ersten halten. Aber die verabredete Stunde naht, erlauben Sie …« »Noch ein Wort, mein Herr. Sind Sie auch gewiß, daß Marteza Sie liebt? …« »Ich glaube es.« – »Und Sie lieben Marteza wieder?« fragte Cydalise. – »Gnädige Frau,« war meine Antwort, »Sie selbst haben mich der Marteza in die Arme geworfen. Das dürfte Ihnen genug sagen …« – Ich wollte herausgehen, aber Cydalise ergriff mich beim Dolman und kehrte mir dann schnell den Rücken. »Befehlen Madam noch etwas? Haben Sie mir noch etwas aufzutragen?« »Nein, mein Herr. Wie? Sind Sie denn noch da?

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