Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Treue zu rechtfertigen gesucht. Der Posten des Generalinspektors seines Heeres war erledigt; ich erhielt ihn und mußte seinetwegen oft die Grenze bereisen.«
»Schon wieder reisen?« rief der Sultan. »Wenn Sie noch ein einziges Mal reisen, so schlaf’ ich bis morgen. Merken Sie sich das!«
»Fürst,« fuhr Selim fort, »auf einer dieser Rundfahrten macht’ ich die Bekanntschaft mit der Gemahlin eines Obersten der Spahis, Ostaluk. Der Mann war tapfer, ein guter Offizier, aber ein wenig bequemer Gatte, eifersüchtig wie ein Tiger, und mit gutem Grunde eifersüchtig, denn er war abscheulich häßlich.
Er hatte Cydalise seit kurzem geheiratet. Sie war jung, lebhaft, hübsch. Sie gehörte zu jenen seltenen Frauenzimmern, denen man beim ersten Anblick etwas mehr als Höflichkeit bezeigt, von denen man sich ungern trennt, deren man sich hundertmal erinnert, bis man sie wiedersieht.«
Cydalise dachte logisch und drückte sich angenehm aus. Ihre Unterhaltung war anziehend, man ward nicht müde, sie zu sehen, man ward noch weit weniger müde, ihr zuzuhören. Diese Eigenschaften gaben ihr ein Recht, starken Eindruck auf alle Herren zu machen. Auch ich sollte das erfahren. Ich schätzte sie hoch, bald empfand ich eine zärtliche Neigung für sie, und mein ganzes Betragen nahm schließlich die Form einer innigen Leidenschaft an. Die Leichtigkeit meiner vorhergehenden Triumphe hatte mich ein wenig verzogen. Als ich Cydalisens Eroberung unternahm, bildete ich mir ein, sie würde nur kurze Zeit widerstehen und sich durch die Aufforderung des Herrn Generalinspektors so geehrt finden, daß sie nur eine Verteidigung aus Anstandsgründen mir entgegensetzen würde. Also können Sie denken, wie erstaunt ich über ihre Antwort auf meine Erklärung war: »Edler Herr,« sagte sie, »wär’ ich auch so von mir eingenommen, zu glauben, daß Ihnen etwas an mir gefallen könne, so beginge ich doch eine große Torheit, wenn ich auf Reden achtete, wodurch Sie tausend andre vor mir hintergangen haben. Was ist Liebe ohne Achtung? Sehr wenig, und Sie kennen mich nicht genug, um mich zu achten. Soviel Geist und Scharfsinn man auch besitze, so hat man doch nicht in zwei Tagen den Charakter eines Frauenzimmers hinlänglich genug ergründet, um sich ihre Liebe zu verdienen. Der Herr Generalinspektor sucht sich zu unterhalten, er hat recht. Cydalise hat auch recht, daß Sie niemand gefällig sein mag.«
Ich mochte schwören, soviel ich wollte, daß ich wahre Leidenschaft für sie empfände, daß mein Glück in ihren Händen wäre, daß ihre Gleichgültigkeit mein künftiges Leben vergiften würde. »Worte,« sagte sie »nichts als Worte. Denken Sie nicht mehr an mich, oder halten Sie mich nicht für so unbesonnen, daß ich abgenutzten Beteuerungen glauben könnte. Was Sie mir da sagen, sagt jedermann, ohne es so zu meinen, und hört jedermann, ohne es zu glauben.«
Hätte Cydalise mir nur gefallen, so würden ihre Sprödigkeiten mich beleidigt haben, aber ich liebte sie, und so betrübten sie mich. Ich kehrte an den Hof zurück, ihr Bildnis folgte mir dahin. Die Abwesenheit, anstatt die Leidenschaft zu tilgen, die ich zu ihr gefaßt hatte, fachte sie nur noch mehr an.
So sehr war ich von Cydalise eingenommen, daß ich es mir hundertmal vornahm, ihr die Ämter und den Rang aufzuopfern, die mich an den Hof fesselten; nur die Ungewißheit des Erfolges hielt mich davon ab.
»Da es mir unmöglich war, dahin zu fliegen, wo ich sie verlassen hatte, geriet ich auf den Einfall, sie zu mir hin zu locken. Ich bediente mich des Vertrauens, womit Erguebzed mich beehrte: ich pries ihn Ostaluks Verdienste und Tapferkeit. Er ward zum Leutnant der Spahis bei der Leibwache ernannt. Dieser Posten fesselte ihn an die Person des Fürsten. Ostaluks erschien am Hofe und Cydalise mit ihm, die alsbald die herrschende Schönheit ward.«
»Sie haben wohlgetan, Ihre Stelle zu behalten und Ihre Cydalise an den Hof zu berufen,« sagte der Sultan, »denn ich schwöre bei Brahma, ich hätte Sie ruhig in die Provinz ziehen lassen.«
»Man beäugelte, bewunderte, belagerte sie,« fuhr Selim fort, »aber alles umsonst. Nur ich genoß des Vorrechts, sie alle Tage zu sehen. Je näher ich sie kennen lernte, desto mehr Anmut und Vorzüge entdeckte ich an ihr, desto kopfloser ward ich in sie verliebt. Es fiel mir ein, das frische Andenken meiner unzähligen Liebeshändel sei mir vielleicht bei ihr nachteilig. Dieses auszulöschen, sie von der Aufrichtigkeit meiner Liebe zu
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