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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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Ich glaubte, Sie wären längst fort.« – »So will ich eilen, daß ich fortkomme.« – »Selim!« – »Cydalise!« – »Sie gehn wirklich fort?« – »Ja, gnädige Frau.« – »O Selim, wem opfern Sie mich? Ist Cydalisens Achtung Ihnen nicht mehr wert, als Martezens Gunst?« – »Ohne Zweifel, gnädige Frau,« versetzte ich, »wenn auch ich nur Achtung für Sie empfunden hätte. Aber ich liebte Sie …« – »Das ist nicht wahr!« rief sie mit Heftigkeit. »Hätten Sie mich geliebt, Sie hätten meine wirklichen Gefühle erkannt; Sie hätten geahnt, Sie hätten sich geschmeichelt, Ihre Beständigkeit werde endlich meinen Stolz besiegen. Aber Sie sind ermüdet, Sie haben mich aufgegeben, vielleicht in dem Augenblick aufgegeben, wo …« Cydalise hielt inne, ein Seufzer entrang sich ihr, ihre Augen wurden naß. »Reden Sie,« sagte ich, »vollenden Sie, Cydalise. Wenn nun trotz Ihrer Strenge, die mich bedrückt, meine Zärtlichkeit noch fortdauerte, so könnten Sie« – »Ich kann nichts! Sie lieben mich nicht mehr, und Marteza erwartet Sie.« – »Und wenn nun Marteza mir gleichgültig wäre und wenn mir Cydalise teurer wäre als jemals, was würden Sie dann tun?« – »Welche Torheit, auf solche bloßen Voraussetzungen hin lange Erklärungen …« – »Cydalise, ich beschwöre Sie, antworten Sie mir so, als ob es keine bloßen Voraussetzungen wären. Angenommen, Cydalise sei noch immer die liebenswürdigste Frau der Welt in meinen Augen, und ich hätte nie die mindeste Absicht auf Marteza gehabt. Noch einmal: was würden Sie dann tun?« – »Was ich immer getan habe, Sie Undankbarer!« antwortete nun endlich Cydalise. »Ich würde Sie lieben!« – »Und Selim betet Sie an!« rief ich, »warf mich zu ihren Füßen, küßte ihre Hände und benetzte sie mit Freudenzähren. Cydalise war sprachlos. Diese unverhoffte Wandlung brachte sie aus der Fassung. Ich nutzte ihre Verwirrung, und unsere Versöhnung ward durch Beweise einer Zärtlichkeit besiegelt, denen sie sich nicht zu versagen vermochte.«
    »Und was sagte der gute Ostaluk dazu?« sprach Mangogul. »Ohne Zweifel erlaubte er seiner teuren Ehehälfte, dem Manne ihre Erkenntlichkeit zu bezeigen, durch den er Leutnant der Leibwache war?«
    »Fürst,« antwortete Selim, »Ostaluk war dankbar, solange man mich nicht erhörte. Sobald ich glücklich war, wurde er unbequem, ungestüm und unausstehlich gegen mich, brutal gegen seine Frau. Er begnügte sich nicht, uns persönlich zu stören, er ließ uns belauschen; wir wurden verraten und Ostaluk, der seiner angeblichen Schande gewiß war, hatte die Keckheit, mich zum Zweikampf herauszufordern. Wir schlugen uns auf der großen Aue, ich brachte ihm zwei Wunden bei und zwang ihn, mir sein Leben zu verdanken.
    Während er von seinen Wunden genas, verließ ich seine Frau keinen Augenblick. Aber der erste Gebrauch, den er von seiner Gesundheit machte, war, uns zu trennen und Cydalise zu mißhandeln. Sie schilderte mir die ganze Traurigkeit ihrer Lage, ich schlug ihr vor, sie zu entführen, sie willigte ein; und als der Eifersüchtige von einer Jagd zurückkam, auf die er den Sultan begleitet hatte, fand er zu seinem Erstaunen, er sei Witwer geworden. Aber Ostaluk brach gegen den Urheber der Entführung nicht in unnütze Klagen aus, sondern sann augenblicklich auf Rache.
    Ich hatte Cydalise in einem Landhaus verborgen, zwei Stunden von Banza, und um die zweite Nacht stahl ich mich aus der Stadt, um nach Cisara zu gehen. Unterdessen setzte Ostaluk einen Preis auf den Kopf seiner Ungetreuen, bestach meine Bedienten mit schwerem Gelde und ward in meinen Lustgarten eingelassen. An jenem Abend schöpfte ich dort gerade frische Luft mit Cydalise. Wir hatten uns tief in einen dunklen Gang zurückgezogen, und eben wollt’ ich sie mit den zärtlichsten Liebkosungen umfangen, als eine unsichtbare Hand ihr vor meinen Augen den Dolch in die Brust stieß. Es war der grausame Ostaluk. Mich bedrohte das nämliche Schicksal, aber ich kam Ostaluk zuvor, zog meinen Dolch, und Cydalise war gerächt. Ich warf mich über die teure Frau; noch klopfte ihr das Herz; ich ließ sie eiligst ins Haus tragen, aber sie verschied, ehe sie dahin kam, meine Lippen fingen ihren letzten Atemzug auf.
    Als ich Cydalisens Glieder in meinen Armen erstarren fühlte, schrie ich laut, meine Leute liefen herzu und entrissen mich dem grauenvollen Aufenthalt. Ich kehrte nach Banza zurück und, verzweifelt über Cydalisens Tod, verschloß ich mich in mein

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