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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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Unglück, daß er Wels hatte warten lassen.
    Die Sache war die. Im Anfang hatte Immanuel Oppermann die Möbel, die er verkaufte, nicht selbst hergestellt, sondern sie von Heinrich Wels sen. herstellen lassen, einem jungen, zuverlässigen Handwerker. Als man die Berliner Filialen gründete, die in Steglitz und die in der Potsdamer Straße, wurde die Zusammenarbeit mit Wels schwieriger. Wels war zuverlässig, aber er war gezwungen, zu teuer zu arbeiten. Bald nach dem Tode Immanuel Oppermanns begann man auf Betreiben Siegfried Briegers, des jetzigen Prokuristen, einen Teil der Möbel in billigeren Fabriken herstellen zu lassen, und als die Leitung des Geschäftes an Gustav und Martin übergegangen war, gründete man eine eigene Fabrik. Für gewisse schwierigere Arbeiten, für Einzelstücke, zog man die Welsschen Werkstätten nach wie vor heran: aber den Hauptbedarf des Möbelhauses Oppermann, das sich mittlerweile eine weitere Berliner und fünf Provinzfilialen angegliedert hatte, lieferten jetzt die eigenen Werkstätten.
    Heinrich Wels jun. sah diese Entwicklung mit Erbitterung. Er war ein paar Jahre älter als Gustav, fleißig, solid, eigenwillig,langsam. Er gliederte seinen Werkstätten Verkaufsläden an. Musterbetriebe, mit größter Sorgfalt geführt, um gegen die Oppermanns aufzukommen. Aber er kam nicht gegen sie auf. Seine Preise konnten mit denen der standardisierten Oppermann-Möbel nicht konkurrieren. Den Namen Oppermann kannten zahllose Leute, die Fabrikmarke der Oppermanns, das Porträt Immanuels, drang in die äußerste Provinz, der biedere, altmodische Text der Oppermannschen Inserate: »Wer bei Oppermann kauft, kauft gut und billig«, war geflügeltes Wort. Überall im Reich arbeiteten Deutsche an Oppermannschen Tischen, aßen von Oppermannschen Tischen, saßen auf Oppermannschen Stühlen, schliefen in Oppermannschen Betten. In Welsschen Betten schlief man wahrscheinlich behaglicher, und Welssche Tische waren dauerhafter gearbeitet. Aber man zog es vor, weniger Geld anzulegen, selbst wenn die erstandenen Dinge vielleicht ein bißchen weniger solid waren. Das begriff Heinrich Wels nicht. Das wurmte ihn in seinem Handwerkerherzen. War der Sinn für Solidität in Deutschland ausgestorben? Sahen diese irregeführten Käufer nicht, daß an seinem, Wels’, Tisch ein Mann achtzehn Stunden gearbeitet hatte, während das Oppermannsche Zeug Fabrikware war? Sie sahen es nicht. Sie sahen nur, bei Wels kostete ein Tisch vierundfünfzig Mark und bei Oppermann vierzig, und sie gingen hin und kauften bei Oppermann.
    Heinrich Wels verstand die Welt nicht mehr. Seine Erbitterung stieg.
    In den letzten Jahren allerdings wurde es besser. Eine Bewegung brach sich Bahn, die die Erkenntnis verbreitete, daß das Handwerk dem deutschen Volkscharakter besser entsprach als der normalisierte internationale Fabrikbetrieb. Nationalsozialistisch nannte sich diese Bewegung. Sie sprach aus, was Heinrich Wels längst gespürt hatte, daß nämlich die jüdischen Warenhäuser und ihre gerissenen Verkaufsmethoden schuld daran waren an Deutschlands Niedergang. Heinrich Wels schloß sich der Bewegung von ganzem Herzen an. Er wurde Distriktsvorstand der Partei. Erfreut sah er, wie dieBewegung Boden gewann. Zwar kauften die Leute noch immer lieber die billigeren Tische, aber wenigstens schimpften sie dabei auf die Oppermanns. Auch erreichte die Partei, daß den Großgeschäften höhere Auflagen gemacht wurden, so daß die Oppermanns allmählich für die Tische, für die Wels vierundfünfzig Mark verlangte, statt vierzig Mark sechsundvierzig fordern mußten.
    In allen neun Oppermannschen Häusern liefen judenfeindliche Schreiben in Massen ein, judenfeindliche Inschriften wurden des Nachts an den Schaufenstern angebracht, alte Kunden sprangen ab. Man mußte die Preise mindestens zehn Prozent niedriger halten als der nichtjüdische Konkurrent; hielt man sie nur fünf Prozent niedriger, dann gab es Leute, die zum Christen gingen. Die Behörden schikanierten unter dem Druck der wachsenden nationalsozialistischen Partei immer mehr. Heinrich Wels hatte den Vorteil. Die Differenz zwischen dem Preis seiner Erzeugnisse und dem der Oppermanns verringerte sich.
    Bei alledem hielt das Möbelhaus Oppermann nach wie vor äußerlich die guten Beziehungen zum Hause Wels aufrecht. Ja, unter dem Einfluß Jacques Lavendels und Prokurist Briegers legte man Wels nahe, Vorschläge zu machen, die auf eine Fusion der beiden Firmen oder wenigstens auf engere

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