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Die Gesellschaft des Abendsterns

Die Gesellschaft des Abendsterns

Titel: Die Gesellschaft des Abendsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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ihre beste Chance war, ihre Großeltern zu retten und unter Umständen sogar eine Möglichkeit zu finden, Seth, Tanu, Coulter und Warren aus ihrem Albinozustand zu befreien.
    Während sie ungeduldig auf dem Ast wartete, sah Kendra zu ihrer Verblüffung, wie Warren auf die Beobachtungsplattform der Hütte kletterte. In erstauntem Schweigen schaute sie zu, wie er sich reckte und sich die Arme rieb. Die Nacht war zu dunkel, als dass sie Genaueres hätte erkennen können, aber er schien sich zu bewegen wie ein normaler Mensch.
    »Warren!«, zischte sie.
    Er zuckte zusammen und drehte sich in ihre Richtung. »Wer ist da?«, fragte er.
    Sie war so überrascht, ihn reden zu hören, dass es ihr für einen Moment die Sprache verschlug. »Sie können ja wieder sprechen! Oh Mann! Was ist passiert?«
    »Natürlich kann ich reden. Und, bitte, verzeih, aber … wer bist du?«
    »Ich bin Kendra.« Sie konnte es gar nicht glauben. Er wirkte wieder vollkommen normal.
    »Du wirst mir schon ein bisschen mehr erzählen müssen.« Er blinzelte in ihre Richtung. Die Nacht war für seine Augen wahrscheinlich dunkler als für die ihren, und außerdem war sie unsichtbar.
    »Ich bin Kendra Sørensen. Stan und Ruth sind meine Großeltern.«
    »Wenn du es sagst. Was hat dich dazu getrieben, dich mitten in der Nacht in einem Baum zu verstecken? Und kannst du mir erklären, wie ich hierhergekommen bin?«

    »Treffen wir uns an der Hintertür«, schlug Kendra vor. »Ich werde in einer Sekunde dort sein.« Warren war irgendwie geheilt worden! Sie war nicht länger allein! Kendra rutschte von ihrem Ast und kletterte den Baum hinunter. Dann zog sie den Handschuh aus, verließ den Schutz der Bäume und ging durch den Garten zur Hintertür, wo Warren sie erwartete.
    Er stand in der Tür und musterte sie. Jetzt, da er wieder bei vollem Bewusstsein war, sah er noch besser aus. Seine auffälligen Augen waren von einem silbrigen Haselnusston. Hatten sie auch vorher schon diese Farbe gehabt? »Du bist es«, sagte er mit einer Mischung aus Neugier und Erstaunen. »Ich erinnere mich an dich.«
    »Aus der Zeit, als Sie stumm waren?«, fragte Kendra.
    »Ich und stumm? Das ist eine Premiere. Komm rein.«
    Kendra trat ein. »Sie waren mehrere Jahre lang ein stummer Albino.«
    »Jahre?«, rief er aus. »Welches Jahr haben wir?«
    Kendra erzählte es ihm, und Warren war einigermaßen erstaunt. Sie gingen zu dem Tisch im Wohnraum.
    Warren fuhr sich mit seiner weißen Hand durch sein dickes Haar, dann starrte er auf die Innenfläche seiner Hände. »Ich dachte schon, dass ich irgendwie ausgebleicht aussehe«, sagte er und bewegte seine Finger, um sie ein wenig zu lockern. »Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass etwas im Hain auf mich zukam. Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen. Ich wurde von einer Panik übermannt, wie ich sie noch nie erlebt habe, und mein Geist zog sich zurück an einen dunklen Ort. Ich fühlte nichts dort, eingesperrt in einem Gefängnis aus purem Grauen, abgetrennt von meinen Sinnen. Ich bewahrte mir nur eine Art schläfriger Selbstwahrnehmung. Dann habe ich irgendwann dich gesehen, eingehüllt in Licht. Aber ich dachte, es wären nur
ein paar Stunden vergangen, nicht Tage und gewiss nicht Jahre.«
    »Sie waren katatonisch«, erklärte Kendra. »Im Hain gibt es einen Wiedergänger, und alle, die dort hingehen, enden so wie Sie.«
    »Ich scheine nicht allzu viel Gewicht verloren zu haben«, meinte Warren und befühlte seinen Körper. »Ich fühle mich eine Spur schlanker, aber nicht kraftlos, wie ich es nach mehreren Jahren in einem Koma eigentlich sein müsste.«
    »Sie konnten sich bewegen, waren aber immer wie benommen«, berichtete Kendra. »Ihr Bruder Dale hat dafür gesorgt, dass Sie ausreichend körperliche Ertüchtigung bekamen. Er hat sich gut um Sie gekümmert.«
    »Ist er auch hier?«
    »Er ist mit meinen Großeltern im Kerker eingesperrt«, sagte Kendra. »Das ganze Reservat ist in Gefahr. Mitglieder der Gesellschaft des Abendsterns haben das Haus übernommen. Eine von ihnen ist eine Narkoblix, deshalb bin ich zwei Tage in Folge wach geblieben. Sie versuchen, an das Artefakt heranzukommen.«
    Warren zog die Augenbrauen hoch. »Hast du gerade gesagt, es wird keine Willkommen-zurück-aus-deinem-Koma-Party geben?«
    Kendra lächelte. »Bis wir die anderen retten, werde ich Ihre einzige Gesellschaft sein.«
    »Früher oder später will ich auf jeden Fall ein Torte und Eiscreme. Du hast von dem Artefakt gesprochen.

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